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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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mischte sich unter den Gestank nach fauligem Wasser. Sie konnte ihn nicht zuordnen. Er war angenehm. Wie Weihrauch … Und doch anders.
    Nandalee lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und sank langsam in die Knie. Ihr war entsetzlich schwindelig. Wo war sie bloß gelandet? Das Wasser war angenehm warm und ein wenig schmierig, als sei es voller Algen. Wie ein Tümpel in der Sommerhitze.
    Mit letzter Kraft kämpfte sie sich hoch und zwang sich dazu, weiterzugehen. Da war ein neues Geräusch. Ein Wispern. Jemand war hier. Ganz in der Nähe. Ein Lichtpunkt tanzte in weiter Ferne. Orangefarben. Zitternd.
    Nandalee begann zu laufen. Da waren noch mehr Stimmen. Durcheinander. Melodische, klare Stimmen, wie ein Chor. Nur dass jede der Stimmen ein anderes Lied sang. Der Weg ins Licht schien endlos. Zweimal stürzte sie der Länge nach in das faulige Wasser. Ihre Kräfte schwanden. Was als Lauf begonnen hatte, wurde zu einem schwächlichen Torkeln, mit immer längeren Pausen. Sie schmeckte ihr eigenes Blut im Mund. Schwäche senkte sich betäubend auf all ihre Glieder. Sie wollte sich in das warme Wasser gleiten lassen. Die Augen schließen. Nur einen Moment lang, um dann mit neuer Kraft das letzte Stück des Weges zu schaffen. Das orange Licht war nun zum Greifen nah und der Chor aus fremden Stimmen lullte sie ein. Sie verstand kein Wort. Keine Sprache, die sie je gehört hatte, hatte geklungen wie dieser hundertstimmige Sprechgesang.
    Nandalee ballte die Rechte zur Faust. Sengender Schmerz schoss durch ihre verstümmelten Finger. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie mit dieser Hand ohne Fingerkuppen nie wieder eine Bogensehne spannen würde. Das Fenster hatte ihr genommen, was ihr am meisten bedeutete. Das Einzige im Leben, in dem sie wirklich herausragend gewesen war. Ihr Schmerz verwandelte
sich in Zorn. Sie stemmte sich hoch. Sie wollte wissen, wo sie war, und ihren singenden Peinigern all ihren Hass entgegenschreien. Und wenn es das Letzte war, was sie in ihrem Leben tat.
    Nandalee stolperte in eine weite Halle. Fackeln und Feuerbecken ließen unstetes Licht über Säulen und Wände tanzen. Die Halle stand kniehoch unter Wasser. Blinzelnd betrachtete sie die Sänger. Seltsame Geschöpfe, elfenähnlich und doch auf groteske Weise anders. Lange, weit nach hinten gebogene Hörner wuchsen ihnen aus der Stirn. Sie hatten Gazellenbeine! Gelenke an den falschen Stellen. Es waren nur Frauen! Eine stand so nah bei ihr, dass Nandalee sie mit ausgesteckter Hand hätte berühren können. Die Augen der Sängerin waren so verdreht, dass man nur noch das Weiße sah. Sie war ganz in ihren langsamen Sprechgesang versunken. Die samtig weiche Stimme dämpfte Nandalees Zorn.
    Alle Sängerinnen waren nackt. Und waren es auch wieder nicht. Sie hatten sich in schillernde Farben gewandet. Ihre Körper waren bemalt. Jeder auf verschiedene Art. Verschlungene Muster in Weiß, Scharlachrot, Dunkelblau und hellem Grau bedeckten ihre gebräunten Leiber. Träger Rauch trieb zwischen ihnen einher. In blauen, durchscheinenden Schlangen wand er sich zwischen den bemalten Leibern hindurch. Er wogte aus der Mitte des riesigen Saales, wo zwischen mächtigen Säulen etwas schwarz Glänzendes auf einem Sockel ruhte. Der Rauch roch so gut … so gut …
    Das glänzende Ding bewegte sich. Nandalee erkannte eine riesige Schlange mit baumdickem Leib, die halb im Rauch verborgen lauerte. Plötzlich verstummten die Sängerinnen. Wie auf einen unhörbaren Befehl hin drehten sie alle den Kopf zu ihr. Ihre Augen blieben weiß… Nein, perlmuttfarben. Sie alle waren blind!
    Ihr?
    Hitze fuhr ihr durch alle Glieder, der Rauch verflüchtigte sich und offenbarte ihren Irrtum. Keine Schlange wand sich dort, sondern ein langer, geschuppter Schwanz. Der Schwanz eines
Drachen. Er war groß. Unvorstellbar groß. Noch riesiger als die Himmelsschlangen, denen sie begegnet war.
    Ihr erstaunt mich, Dame Nandalee.
    Blaue Augen sahen durchdringend zu ihr hinab. Kommt her. Kommt zu mir.
    Diese Augen! Es waren die Augen des Elfen, dem sie in der Höhle der Himmelsschlangen begegnet war. »Du bist der Dunkle«, flüsterte sie. Das Fenster hatte sie also tatsächlich zu ihm geführt.
    Er streckte eine seiner Tatzen vor und eine seiner messerscharfen Krallen berührte ihre Stirn.
    Es hat sich also nichts geändert.
    Nandalee vermochte seinem Blick nicht

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