Drachenelfen
sich in vielerlei Hinsicht reicher. Er würde mit dem Blick auf den wunderbaren Sternenhimmel einschlafen. Und sie hatten nur ein Stück Stoff über sich.
Barnaba entschied, dass er morgen die Karawane verlassen würde. Sein eigener Vater würde ihn in dieser Verkleidung nicht wiedererkennen! Und doch war es klüger, vorsichtig zu sein. Auch durfte er die Menschen, die mit ihm Speis und Trank geteilt hatten, nicht in Gefahr bringen. Je länger er an einem Ort blieb oder mit denselben Leuten zusammen war, desto gröÃer wurde die Gefahr, dass durch einen Zufall herauskam, wer sich in Wahrheit hinter dem zerlumpten Wanderpriester verbarg. Barnaba verschränkte die Arme hinter dem Kopf, lehnte sich gegen die Mauer, die noch einen letzten Rest der Mittagshitze in sich trug, und blickte zu den Sternen auf. Nie zuvor in seinem Leben war er so frei gewesen. Er dachte daran, in eine der abgelegenen Reichsprovinzen zu flüchten. Vielleicht in die Berge von Kush. Ganz sicher war er sich nicht, was er wollte. Zwei Träume rangen in ihm miteinander. Der eine war dem Wunsch nach Rache entsprungen. Er wollte Aaron, den Schlächter, und dessen Folterknecht Juba stürzen sehen. Gerne stellte er sich vor, wie er Nadelstich auf Nadelstich setzte, bis die beiden am Ende verblutet waren. Dazu gehörten die Geschichten über ungerechte Herrscher und die Nacht der Daimonen, die im einfachen Volk so viel Anklang fanden. Eine Nacht, die nur die Gerechten überleben würden ⦠Er seufzte. Das war ein Traum! Wenn er Wirklichkeit werden sollte, müsste er letztlich nach Nangog. Barnaba hatte Geschichten über einen ehemaligen Satrapen gehört, der einen Kult um die Grünen Geister gegründet hatte und auch eine ominöse Göttin anbetete. Tarkon Eisenzunge hieà er. Angeblich gebot er über Wolkensammler und hatte eine Stadt im Himmel gegründet. Er hätte vielleicht die Macht, sich gegen einen Tyrannen wie Aaron aufzulehnen. Oder aber Muwatta, der Unsterbliche von Luwien. Barnaba seufzte. Träume! So fern der Wirklichkeit.
Seine Gedanken wanderten zu der Elfe. Selbst im Tod hatte sie noch schön ausgesehen! Er hatte Abir Ataš nicht alles über die Xana erzählt, jene Quellnymphe, die die unruhigen, fiebrigen Träume seiner Jugend beherrscht hatte. Es war eine mindere Lüge
gewesen. Nein, genau genommen hatte er nichts Falsches gesagt. Er hatte einfach nur einen Teil verschwiegen. Den Teil, dass er dem Steuermann aus Aarons Zinnflotte noch ein zweites Mal begegnet war, als dieser schon zum Flottenbefehlshaber aufgestiegen war. Barnaba hatte ihn gesucht, weil er die Geschichte aus seiner Kindheit nicht vergessen konnte. Und er wusste nun, dass man den Xana in der Mittsommernacht begegnen konnte. Es war die einzige Nacht, in der sie für Menschen sichtbar wurden. Barnaba dachte an das Strahlen in den Augen des alten Seefahrers. Er hatte die Quellnymphe vor der Zeit wiedergesehen, weil er sein Schicksal in die Hand genommen und sich nicht ihrer Prophezeiung gefügt hatte.
Barnabas Blick ruhte auf den unerreichbar fernen Sternen und er wurde schläfrig. Konnte auch er es schaffen, einen Daimon zu finden? Eine Xana! Sie waren aus ihrer Welt verbannt worden, weil sie zu frei über die Zukünfte gesprochen hatten, die sie gesehen hatten, so hatte es ihm der Seefahrer erzählt. Man konnte die Xana an einsamen Bächen, Seen oder Wasserfällen in den Bergen finden. Weitab jeder Siedlung. An Orten, an die sich trotz ihrer Schönheit so gut wie nie ein Wanderer verirrte.
Der Seefahrer hatte so lebhaft von ihnen gesprochen! Von der unbeschreiblichen Schönheit, ihrem langen, goldenen Haar, den Augen voller Weisheit und Lebenslust. Wenn er einer solchen Frau begegnen könnte â¦
Barnaba seufzte. Was für ein schändlicher Priester er war! Seine Träume drehten sich abwechselnd darum, Buhlschaft mit einer Daimonin zu treiben oder Rache auszuleben. Wann würde er seinen Frieden finden?
Die Augen fielen ihm zu. Und in seinen Gedanken erstand wieder das Bild einer wunderschönen goldhaarigen Frau, die am Ufer eines Bergsees saà und ihr Haar kämmte.
E IN VERGESSENER STEIN
Sprachlos sah Nandalee sich um. Nie war sie an einem Ort wie diesem gewesen. Als sie aus dem Albenstern getreten waren, hatte sie der Winter empfangen. Unter ihnen lag ein wunderschönes grünes Tal. Doch sie mussten den Winter durchschreiten, um dorthin zu
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