Drachenelfen
Gedanken auslöschen. Jede Reflexion über das, was gerade geschieht, jedes â¦Â«
Sie seufzte leise. Er musste sich ihr nicht mit klugen Reden beweisen.
Er hatte sie doch längst gewonnen. Und sie, sie wollte einfach nur in seinen Armen liegen, sich warm und geborgen fühlen. Ihn stumm genieÃen. Nandalee küsste ihn, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Refleksion? Lass uns das später tun und jetzt einfach nur glücklich sein.«
E INE NEUE WELT
Nandalee tat einen tiefen Atemzug. Hinter ihnen verblasste das bläuliche Licht der magischen Pforte. Die Welt roch fremd. Ein Schauer überlief die Elfe. Ein angenehmes Gefühl der Anspannung ergriff sie. Es war wie auf der Jagd, wenn man ahnte, dass man nicht als Einziger der Beute nachstellte, sondern ein Rudel Wölfe im kalten Nebel lauerte.
Sie standen an einem felsigen Hang. Eine einzelne, unbehauene Felsnadel ragte neben ihnen auf. Fünf oder sechs Schritt hoch. Sie markierte den Albenstern. Dabei schien der Fels natürlichen Ursprungs zu sein. Er erhob sich aus dem von Wind und Regen glatt geschliffenen Gestein. Ein Dorn, aus den Gebeinen der Erde gewachsen.
»Lass uns gehen. Man könnte den Lichtschein des Albensterns gesehen haben«, sagte Gonvalon. Seine Stimme war ruhig, gelassen. Beeindruckte ihn diese Welt denn gar nicht? Eine Welt, die noch nie ein Elf betreten hatte?
Natürlich hatte Gonvalon recht, aber manchmal störte sie seine trockene, sachliche Art. Wie anders er sein konnte, wenn sie allein miteinander waren! Er trug zwei Gesichter. Statt zu grübeln, sollte sie das, was er gesagt hatte, einfach so nehmen, wie es war. Schlicht vernünftig. Und etwas zu trocken.
Sie standen auf einem Osthang. Der letzte Abglanz der untergehenden Sonne lieà die Felsen rötlich erglühen. Ãber das tiefer gelegene Waldland kroch bereits der Schatten der Nacht. Der Hang war kahl, Felsen und einzelne Baumstümpfe boten nur spärliche
Deckung. Sollte jemand das Licht bemerkt haben und nun den Hang beobachten, mochte er sie entdecken.
Gonvalon ging einfach los, warf keinen Blick zurück und schwieg. Er stieg zu einer Senke hinab, die in südlicher Richtung verlief.
Nandalee folgte ihm. Kurz war sie in mürrischer Stimmung. Warum war er so verändert? Er hatte nicht hierherkommen wollen. Und schon gar nicht mit ihr und Bidayn! Hatte der Befehl des Erstgeschlüpften alle Leidenschaft von gestern Nacht erstickt? War sie zu empfindlich? Schuldbewusst blickte sie zu Bidayn. Sie hatte zu ihrer Freundin auch noch kein Wort gesagt. »Du warst gut«, murmelte sie ein wenig verlegen.
Bidayn lächelte sie an. »Er hat mir meine Angst genommen«, sagte sie voller Begeisterung. »Ich hatte immer Angst, einen Albenstern zu öffnen, weil ich wusste, was alles geschehen kann. Angst verdirbt das Muster des Zauberwebers. Wir sind in einer anderen Welt. In Nangog, wo noch nie vor uns ein Elf gewesen ist. Ich bin noch nicht einmal eine Drachenelfe und der Dunkle schickt mich auf eine der wichtigsten Missionen, zu denen je Elfen auserwählt wurden.« Sie strahlte über das ganze Gesicht. »Ich bin begeistert!« Mit weiten Augen sah sie sich um. Sie schien wirklich völlig unbeschwert. Und Nandalees Ãrger verflog. Endlich war sie dem Jadegarten entflohen. All den Regeln, den endlosen Ãbungsstunden mit Nodon. Sie war frei! Für ein paar Wochen zumindest. Endlich wieder in der Wildnis! Bidayn hatte recht. Sie waren für ein wunderbares Abenteuer auserwählt worden. Und Gonvalon würde auch schon wieder werden. Vielleicht, wenn er darüber hinweg war, dass er den Goldenen betrog, indem er einem anderen Drachen diente.
Schweigend folgten die drei einem trockengefallenen Bachbett, das sich tief in den weichen Fels gegraben hatte. Treibholz, bleich wie Knochen, hing im Geäst der Büsche, die aus Felsspalten wucherten. Es roch nach Beeren und Spätsommer. Vom Bach war nur ein wenig Feuchtigkeit geblieben. Genug, um hier und dort
ein paar Moospolster auf dem Fels wuchern zu lassen. Letzte Schwalben zogen über ihnen ihre weiten Schleifen durch den Abendhimmel. An höher gelegenen Stellen, die das Wasser auch nach einem Sturzregen nicht mehr erreichen konnte, klammerten sich graue Lehmnester an den Fels des Steilufers.
Nandalee beobachtete Gonvalon. Er ging ein paar Schritt voraus und obwohl er nicht in der Wildnis aufgewachsen war, bewegte er sich geschickt. Seine
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