Drachenelfen
schlimmer stinken als das kleine Volk.
»Sollten wir nicht ausspähen, wie viele es sind?« Nandalee war nicht müde, und Gonvalon wahrscheinlich auch nicht. Vermutlich hatte er wegen Bidayn entschieden, dass sie lagern sollten.
»Wir bleiben hier«, befahl er knapp. »Und da dies eine Welt voller unbekannter Gefahren ist, wird keiner von euch beiden seinen Wachposten verlassen, während die anderen schlafen.«
Nandalee fühlte sich ertappt â Gonvalon kannte sie zu gut. Die mächtigsten Zauberweber Albenmarks vermochten nicht in ihren Gedanken zu lesen, doch er konnte es. Ganz ohne Magie. Er musste ihr dafür nicht einmal ins Antlitz blicken. Er wusste einfach, wie sie dachte.
Der Dunkle hatte ihr verraten, was Matha Naht ihm angetan hatte. Gonvalon selbst hatte mit keinem Wort davon gesprochen.
Sie wünschte, er wäre ihr gegenüber so offen, wie sie es zu ihm war. War das für Liebende nicht eine Selbstverständlichkeit?
Als sie den Blick hob, begegnete sie seinem spöttischen Lächeln. Er wusste genau, dass er mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte. Manchmal war er eine Spur zu arrogant.
»Ich vertraue euch«, sagte er in versöhnlichem Tonfall. »Sucht euch nun einen guten Platz zum Schlafen. Die Zeit, die Menschenkinder auszuspähen, wird kommen. Und glaub mir, Nandalee, sie sind kein besonderes Wild. Du wirst sie bald unangenehm und langweilig finden.«
Sie fragte sich, woher er die Menschen so genau kannte. Ob er wohl schon oft in ihrer Welt gewesen war? Sah es dort aus wie hier oder ganz anders?
Sie schnallte den wuchtigen Zweihänder ab und lehnte ihn neben ihrem Bogen an einen Baum. Schweigend aÃen sie ein wenig Brot und Käse. Manchmal blickte sie kurz zu Gonvalon. Sie sehnte sich nach ihm, aber sie waren übereingekommen, in Bidayns Gegenwart Zurückhaltung zu üben. Eine blöde Vereinbarung, dachte sie jetzt. Bidayn wusste ohnehin, dass sie beide ein Paar waren. Aber Gonvalon wollte ihre Verbindung noch immer geheim halten, so wie er es auch in der WeiÃen Halle getan hatte. Für ihn schien es kein Widerspruch zu sein, zwei Gesichter zu haben. Tagsüber war er ihr gestrenger, unnahbarer Lehrmeister, um nachts zu einem leidenschaftlichen Liebhaber zu werden. Was war sein wahres Gesicht, fragte sie sich manchmal. Wenn sie doch nur ohne Bidayn hier wären! Ein paar Wochen mit ihm allein, ohne dass er sich gezwungen sah, sich zu verstellen. Würde sie das jemals erleben?
Nandalee seufzte. Der Dunkle hatte Bidayn vermutlich einzig und allein deshalb mitgeschickt, damit sie jemanden hatten, der ihnen einen Weg in das Goldene Netz öffnete. Ihr vertraute der Drache nicht, wenn es um das Zauberweben ging; Bidayn hingegen war begabt und hatte sich noch für keinen Drachen entschieden. Ob der Erstgeschlüpfte auch daran dachte, Bidayn schon
jetzt für sich zu gewinnen? Für sie war der lange Marsch sicher eine einzige Strapaze. Soweit Nandalee wusste, hatte ihre Freundin noch nie länger als zwei Tage in der Wildnis verbracht. Bidayn würde sie und Gonvalon aufhalten.
Noch einmal blickte Nandalee zu ihrem Liebsten. Kurz überlegte sie, einfach aufzustehen und sich an seine Seite zu setzen. Aber sie wusste, dass er es nicht dulden würde. Nicht, wenn er auf Wache stand, und nicht, wenn eine weitere Schülerin der WeiÃen Halle in der Nähe war und ihnen zusehen konnte. Nandalee seufzte und rollte sich in ihren Umhang. Zu wach zum Schlafen, sah sie den tanzenden Glühwürmchen über dem Farn zu. Sie erstrahlten in einem matten gelbgrünen Schein. Wenn man die Augen halb schloss, sah es aus, als malten sie Striche aus Licht in das Dunkel der Nacht.
Bidayn brauchte lange, bis sie einen Platz für die Nachtruhe fand. Sie murrte vor sich hin, fluchte leise über Dreck und Wurzeln und über die grobe Kleidung, die sie tragen mussten. Der Dunkle hatte groÃen Wert darauf gelegt, dass ihre Ausrüstung den Menschenkindern nicht auffallen sollte. So waren sie in grobe Wollstoffe und schlecht verarbeitetes Leder gekleidet. Die Schwertscheiden waren mit Leder umwickelt. Die Griffe mit Dreck und Ruà eingeschmiert. Nur wenn sie die Klingen blankzögen, dann wäre alle Tarnung dahin. Mit Sicherheit hatten die Menschenkinder noch nie eine Waffe gesehen, die einem Drachenschwert auch nur nahekam.
Nandalee schloss die Augen ganz, öffnete ihren Geist und gab sich den Gerüchen des
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