Drachenelfen
mit ihrer Lethargie. Sie agierten nicht mehr, sie reagierten nur noch. Und selbst dazu lieÃen sie sich selten genug herab. Wie konnten sie tatenlos zusehen, was auf Nangog geschah? Wie der alte Pakt gebrochen wurde?
ER schnippte gegen den Dolchgriff, und die Waffe drehte sich so schnell, dass sie zu einer silbern schillernden Scheibe verschwamm. Hatte ihre Unfähigkeit zu entscheiden auch IHN
schon befallen? Warum überlieà ER es dem Schicksal, gegen wen die Klinge gerichtet würde? Wäre es nicht weiser, selbst zu entscheiden? Aber wenn ER es täte, dann würden IHM womöglich seine Sympathien im Wege stehen. Das musste ausgeschlossen werden! Gegen die meisten der acht hegte ER keinen tief greifenden Groll. Es war schwer, sich ihres Charismas zu entziehen.
Die Klinge wurde langsamer. Sie trudelte ein wenig. Der Griff des Dolches war aus dem Zahn eines Wals geschnitzt und endete in einem Löwenhaupt. Im Gegensatz zur Klinge war dieser Teil der Waffe vergänglich.
Der Dolch trudelte immer stärker in seiner Kreisbewegung, manchmal berührte seine Spitze den Fels. Als die Bewegung zum Ende kam, zeigte die Klinge nicht genau auf eines der acht Zeichen. Dennoch war das Ergebnis eindeutig genug. Es war das letzte der Zeichen, das ER hinzugefügt hatte. Das, bei dem ER am längsten gezögert hatte.
Sie würde ohne Argwohn sein, wenn ER sie besuchte. ER mochte sie. Obwohl sie unleugbar zu den Gleichgültigen zu zählen war, hatte ER ihr gegenüber nie Zorn empfunden. Das Zeichen für ihren Namen war nur deshalb in den Stein geschnitten, um die Symmetrie zu wahren, um den gedachten Kreis in gleichmäÃige Achtel zu teilen. ER fluchte leise. Ein symmetrisch geteilter Kreis wäre nicht notwendig gewesen! Dinge symmetrisch zu gestalten war SEINE Neigung.
Ob ER den Dolch noch einmal drehen oder einfach einen anderen Namen wählen sollte? Nein! ER durfte nicht gleich zu Anfang seines Weges mit den getroffenen Entscheidungen hadern. So würde ER nie ans Ziel gelangen. Der Dolch hatte entschieden, wessen Blut vergossen werden sollte. ER würde sich noch ein wenig Zeit lassen, aber die Entscheidung stand fest. Nun galt es nur zu überlegen, wie ER SEINE Spur verwischen konnte.
ER blickte zu dem groÃen Schwert, das an der Felswand lehnte. Todbringer war zurückgekehrt und sein Fluch hatte sich an Talinwyn erfüllt. Die Drachenelfen glaubten fest daran, dass sich das
Schwert gegen ihren Träger wandte, wenn man es nicht die Seelen erschlagener Feinde trinken lieÃ. Erstaunlich abergläubisch waren sie. Hätte Talinwyn eine andere Waffe gewählt oder einen anderen Lehrer â denn auf ihrem Schwertmeister Gonvalon haftete angeblich auch ein Fluch â, dann wäre sie vielleicht zurückgekehrt. Man könnte die Dinge auch nüchtern betrachten und sich eingestehen, dass Talinwyn auf eine Mssion gegangen war, bei der es nur wenig Aussichten gegeben hatte zu überlegen. Aber IHM war nur recht, wenn die Drachenelfen abergläubisch waren, statt ihre Aufträge zu hinterfragen.
Zufrieden betrachtete ER die Waffe. Der wuchtige Zweihänder war SEIN Meisterstück gewesen. ER hatte all seine dunklen Gefühle in den Stahl gelegt. Einen Fluch hatte ER jedoch nicht eingewoben. Jedenfalls nicht wissentlich. ER wusste sehr wohl, dass es zu unerwünschten Phänomenen kommen konnte, wenn die Matrix der Zauber zu dicht wurde und verschiedene Sprüche begannen, sich gegenseitig zu beeinflussen.
ER griff nach dem Bidenhander und wog ihn prüfend in Händen. Die Klinge war zu lang â nicht leicht zu führen, aber lang genug, um ein Drachenherz zu durchbohren. Ganz so, wie ER es in der Silberschale, die den Schleier der Zukunft zerriss, gesehen hatte. Die Schale hatte IHM das Schwert gezeigt und den Arm, der es führte. Einen schlanken und doch kräftigen Arm, um den sich ein Schlangendrache wand.
ER wusste, wen die Klinge töten würde.
Der Leib war unverwechselbar.
Nachdem ER dieses Bild gesehen hatte, hatte ER Todbringer erschaffen. ER nahm das Schicksal in die Hand. ER formte die Zukunft.
Traurig betrachtete ER den Dolch. Nein, dachte ER, ER war kein Zauderer. ER würde tun, was getan werden musste.
D AS VERBORGENE AUGE
Nandalee hatte keine Ruhe gefunden. Nicht in der ersten Nacht und auch nicht in den Nächten danach. Den anderen Elfen schien sie völlig gleichgültig zu sein. Niemand von ihnen richtete das Wort
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