DRACHENERDE - Die Trilogie
vertrauen musste. Kräfte, die der Stab zu bündeln vermochte …
Rajin richtete den Stab auf den reiterlosen Drachen.
Alles, was an Wissen in dich hineingepflanzt wurde, musst du nun einsetzen. Wenn es je einen Sinn gehabt haben soll, was Liisho tat, als er dich als Säugling aus dem brennenden Palast von Drakor rettete, dann musst du jetzt anwenden, was man dich gelehrt hat …
Rajin murmelte Worte vor sich hin. Worte in alt-drachenischer Sprache. Sie waren plötzlich in ihm und sprudelten wie von selbst über seine Lippen. Formeln mit Zaubermacht, so glaubten vielleicht die Bauern und Fischer des drachenischen Altlandes. Aber in Wahrheit halfen sie dem Drachenreiter nur, seine innere Kraft zu sammeln und den Willen des Drachen zu bezwingen.
Der reiterlose Drache brüllte wütend, so als wollte er dagegen protestieren, diesen Fremden als seinen neuen Herrn zu akzeptieren. Aber zweifellos spürte er dessen innere Kraft – so wie Rajin den mächtigen Drachengeist spürte –, geknebelt durch die unsichtbaren Bande, die seit den Tagen Barajans die Drachen versklavten und deren Symbol die drei Drachenringe waren. Das laute Brüllen des Drachen wurde zu einem dumpfen Knurren. Anstatt eines Feuerstrahls quoll nur weißer Dampf aus seinem Maul.
Diene mir!
Ein unterdrücktes Gurgeln erscholl, so als wollte der Drache etwas herauswürgen und war doch gezwungen, es herunterzuschlucken. Er landete unmittelbar vor Rajin und senkte den Kopf.
Ich habe keine Furcht vor dir – umgekehrt aber solltest du mich fürchten, Drache! Denn ich bin dein Herr und Kaiser! Der Nachfolger Barajans! Der Sohn von Kojan und Minjanée, dem Kaiserpaar, dessen Meuchlern du dientest – du und dein Drachenreiter-Samurai, den das Schicksal bereits gestraft hat!
Ein Laut, der an das Winseln der fliehenden Eiswölfe erinnerte, drang zwischen den Zähnen des fast geschlossenen Drachenmauls hervor.
„Dein Name, Drache!“, forderte Rajin.
Ein Gedanke antwortete ihm.
Shiiyyoom …
„So gehorche, Shiiyyoom!“
Rajin rannte auf den mächtigen Koloss zu. Jeden noch so kleinen Anflug von Furcht musste er unterdrücken, denn er ahnte, dass der Drache dies sofort zu erkennen vermochte. Über das linke Vorderbein stieg er auf den Rücken des Drachen. An den Seiten waren die Schuppen zu handgroßen Hornplatten verhärtet. Die Lücken dazwischen waren wie Fugen in einem sehr groben Mauerwerk und so tief, dass man beim hinaufklettern hervorragend darin Halt fand. Rajin war überrascht, wie leicht ihm diese Bewegungsabläufe fielen, die er nie zuvor in seinem Leben tatsächlich ausgeführt hatte.
Augenblicke später saß er im Sattel eines Drachenreiter-Samurai.
Er winkte Bratlor zu. „Los, komm schon!“, rief er und versuchte dabei den Lärm der sich nähernden Drachen zu übertönen.
Bratlor nahm Rajins Anderthalbhänder vom Boden auf, steckte sich die Waffe hinter den Gürtel und rannte auf den Drachen zu. Um die Hände frei zu haben, verstaute er den Bogen im Köcher und kletterte dann auf den Drachenrücken. Shiiyyoom wurde unruhig, aber Rajin berührte mit dem Drachenstab des gefallenen Samurai eine ganz bestimmte Stelle im Schuppenmuster des Giganten. Meine Willenskraft fließe durch diesen Stab, und es sei dir nicht geraten, dich dagegen aufzulehnen!
Dieser Gedanke schoss Rajin durch den Kopf, während Bratlor zu ihm hinaufkletterte und sich hinter ihn in den Sattel setzte.
„Ich hoffe nur, du gebietest auch wirklich über dieses Monstrum – sonst wird das ein ziemlich unruhiger Ritt!“, raunte ihm der Sternenseher von hinten ins Ohr. Er zog Rajins Anderthalbhänder hervor und steckte ihn in die Lederscheide, die der junge Mann - ebenso wie Bratlor selbst – auf dem Rücken gegürtet trug. Dann griff Bratlor zum Bogen und legte einen Pfeil ein, denn schon umschwirrten mehrere Kriegsdrachen den noch immer am Boden kauernden Shiiyyoom.
Rajin murmelte eine der Drachenreiter-Formeln in alt-drachenischer Sprache, um seine innere Kraft zu sammeln. Ich muss dem Wissen, das in mich gepflanzt wurde, vertrauen! Eine andere Möglichkeit hatte er nicht. Er drückte den Drachenreiter-Stab weiterhin zwischen die hornigen Schuppen, und Drache Shiiyyoom hob die Flügel und stieß sich mit den Beinen vom Boden ab. Rajin spürte den Geist des Drachen auf ähnliche Weise, wie es bei dem Schwarz-Gelben der Fall gewesen war – oder bei dem roten Drachen, den er in Winterborg besiegt hatte. Nur, dass er jetzt stark genug war, um den Drachen zu
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