DRACHENERDE - Die Trilogie
ließ sich eigentlich nur auf eine einzige Weise interpretieren: Sie erkannten Prinz Rajin an. Aber woher wussten sie von ihm? Hatte das Gerücht von der Rebellion des Thronfolgers auch unter ihnen bereits Verbreitung gefunden? Oder war das nur eine Falle, damit er sich offenbarte und diese Samurai genau wussten, auf wen sie ihr Augenmerk richten und wen sie töten mussten?
Es blieb Rajin nur ein kurzer Moment um sich zu entscheiden. Was würde geschehen, wenn diese Männer tatsächlich gekommen waren, um sich ihm anzuschließen, und er in dem Moment vor ihnen zu fliehen versuche, da sie sich ihm unterwarfen? Konnten sie ihm dann überhaupt noch voller Überzeugung folgen – einem zukünftigen Drachenherrscher, der sich selbst vor seinen Anhängern fürchtete? Bei Njordir und dem Unsichtbaren Gott, dachte er, was würde Liisho ihm raten?
Rajin hob seinen eigenen Drachenstab und zeichnete mit dessen vorderen Ende einen Halbkreis in den Himmel. Das war die traditionelle Erwiderungsgeste des Drachenherrschers. Nur ihm stand sie zu.
Fürst Payus Gesicht war bleich geworden. „Was habt Ihr nur getan, mein Prinz?“
Im nächsten Moment stießen die ostmeerländischen Drachenreiter die Enden ihrer Drachenstäbe zwischen die Schuppen ihrer Reittiere und gaben ihnen den Befehl zu einem durchdringenden, tief aus der Kehle kommenden Drachenruf. Die Samurai des Kaisers begrüßten damit ihren Herrscher vor einer Schlacht.
Rajin ließ Ghuurrhaan zu Boden gleiten. Er suchte sich einen Landeplatz mitten auf dem Schlachtfeld, zwischen havarierten Luftschiffen und zurückgelassenen Dampfgeschützen und Katapulten. Der Kommandant der ostmeerländischen Drachenreiter folgte seinem Beispiel und landete ebenfalls.
Rajin stieg von Ghuurrhaans Rücken und blieb neben ihm stehen. Der Kommandant musste auf ihn zukommen und dabei das Risiko in Kauf nehmen, dass Ghuurrhaan ihn auf einen Befehl seines Herrn hin mit einem Drachenfeuerstrahl verbrannte.
Der Kommandant blieb in einer Entfernung von fünf Schritten stehen und verneigte sich. „Ihr müsst Kronprinz Rajin sein, der rechtmäßige Erbe des Hauses Barajan.“
„Und wer seid Ihr?“, fragte Rajin.
„Mein Name ist Tong Ko Sarjan, und ich befehlige die Drachenreiter des Kaisers im südlichen Ostmeerland.“
„Die Drachenreiter welchen Kaisers?“
„Die Drachenreiter jenes Herrschers, der zurzeit den Drachenthron besetzt. Aber ich habe von Eurer Rebellion gehört. Die Gerüchte darüber verbreiten sich im ganzen Land. Manche glauben, Euch im Zweifjordland gesehen zu haben, andere wiederum vermuten Eure Schar von Getreuen in der weiten Ödnis der Provinz Tambanien oder im kaum besiedelten Tiefland zwischen den Flüssen Seng und Pa.“
„So wusstet Ihr nicht, dass ich in Sukara weile?“
„Es gab Vermutungen. Schließlich ist es allgemein bekannt, dass der Fürst von Südfluss nicht immer mit dem Herrscher in Drakor konform ging. Aber als ich sah, dass die Drachenreiter des Fürsten von einem Samurai geführt wurden, dessen Reittier alle Zeichen eines ehemaligen Wilddrachen zeigt und dieser Anführer darüber hinaus offenbar noch in der Lage ist, einen zweiten, reiterlosen Wilddrachen dieser Größe zu lenken, da wusste ich, dass Ihr der rechtmäßige Drachenherrscher sein müsst.“
„Es ist wahr“, sagte Rajin. „Ich bin Rajin Ko Barajan, der Erbe Kaiser Kojans.“
Tong verneigte sich noch einmal, und zwar sehr tief. „Mir ist nicht entgangen, dass die Herrschaft Katagis ungerecht und grausam geworden ist – und dass er offensichtlich auf Dauer nicht den Gehorsam der Drachen garantieren kann, da er nur noch zwei der drei Drachenringe besitzt.“
„Der dritte soll im Besitz des Urdrachen Yyuum sein …“
„Man erzählt sich viele Geschichten darüber. Aber niemand kann abstreiten, dass überall Drachen aufmüpfiger und schwieriger lenkbar werden. Das gilt selbst für die Lastdrachen der Kaufleute! Und das ist nicht erst so, seitdem die Preise für Stockseemammut durch den Krieg mit dem Seereich so stark gestiegen sind, dass man die Giganten auf halbe Ration setzen musste und man nun im ganzen Drachenland das Knurren ihrer Mägen hören kann.“
Die Herrschaft der Menschen von Drachenia über die Drachen zu garantieren – das war die allererste und wichtigste Aufgabe, die ein Kaiser auf dem Thron von Drakor zu erfüllen hatte. Wenn der Glaube daran schwand, dass er dazu auch in Zukunft in der Lage war, schmolz damit unweigerlich auch der Glaube an die
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