DRACHENERDE - Die Trilogie
warf man über Bord; es zu flicken hatte keinen Sinn, und kein seemannischer Kapitän ging auf große Fahrt, ohne ein Ersatzsegel mitzuführen, denn es kam immer wieder mal vor, dass das Tuch Schaden nahm, meistens durch einen Sturm, wenn es nicht gelang, das Segel rechtzeitig zu reffen - sehr viel seltener durch Drachenfeuer. Aber das würde sich in Zukunft wohl ändern.
„So gefällt mir der Krieg gegen die verfluchten Drachenreiter!“, knurrte Kallfaer Eisenhammer voller Grimm. „Jede Stunde sollen meinetwegen zwei Drachen getötet werden, dann hätte diese Plage eines Tages ein Ende.“
„Du hängst Wunschträumen nach“, murrte Orik Wulfgarssohn.
Mit neuem Segel ging die Fahrt weiter. Von Drachen war nirgends noch etwas zu sehen. Sie erreichten das Festland und fuhren an der sturmländischen Küste entlang nach Süden. Im Hafen von Storgard legten sie an.
Storgard war ein weitaus größerer Seemammutjägerhafen, als Winterborg es selbst in seinen besten Zeiten je gewesen war. Dutzende von Schiffe wurden zum Auslaufen fertig gemacht, aber wie Kallfaer und Orik schnell erfuhren, ging keines von ihnen auf Seemammutjagd; ihr Ziel war Seeborg, um dort die Flotte der Tausend Schiffe zu verstärken, denn die Kunde, dass sich das Seereich mit dem Reich der Drachenreiter im Krieg befand, hatte sich in Windeseile über das ganze Land verbreitet. Die wildesten Gerüchte wurden in Storgard erzählt. Danach wurde im Südenthal-Land und in Osland bereits gekämpft.
Während Kallfaer Eisenhammer jede dieser Nachrichten mit Befriedigung aufnahm, hegte Orik Wulfgarssohn am Wahrheitsgehalt dieser Geschichten seine Zweifel. Vermutlich vermischten sich Befürchtungen mit tatsächlich stattgefundenen Ereignissen. Aber die Drachenarmada auf ihrem Weg nach Winterland war von verschiedenen Orten aus gesehen worden, und vereinzelt war es wohl zu Gefechten mit seemannischen Schiffen gekommen.
Obwohl Kallfaer am liebsten noch in der Nacht weitergesegelt wäre, entschied Orik, zunächst in Storgard zu bleiben und dann zusammen mit den anderen Schiffen weiter gen Süden zu fahren. Das bot die Möglichkeit, die Seemammutflosse wieder einigermaßen herzurichten und die schlimmsten Schäden zu beseitigen, die durch den Kampf mit den beiden Kriegsdrachen entstanden waren. Außerdem konnten jene Männer, die durch das Drachenfeuer Brandwunden erlitten hatten, zu einem Heiler gebracht werden, den es in Storgard gab, auch wenn der dem Vernehmen nach viel zu tun hatte.
Sein Name war Granvald Warzensprecher, und er besaß das mit Abstand größte Haus in Storgard. Aus ganz Sturmland kamen Menschen zu ihm, die nach seiner Hilfe verlangten und dafür mit gutem Silber bezahlten. Granvald Warzensprecher hatte eine große Auswahl an Tinkturen, Heilkräutern und Arzneien, die er den Betroffenen verabreichte. Allerdings verzichtete er dabei nie auf die Durchführung von Riten zu Ehren des nassen Njordir, denn ohne die Hilfe der Götter – so seine Überzeugung – konnte es für niemanden eine richtige Heilung geben, nur vorübergehende Linderung.
Erst gegen Mittag des nächsten Tages war der Schiffsverband reisefertig. Die Seemammutflosse war nur eines von vielen Langschiffen, die gen Süden segelten, um zur Hauptstadt zu gelangen. Unterwegs wuchs die Flotte immer mehr an, denn auch in den kleinen Küstendörfern und auf den in Meeresnähe gelegenen Höfen war man entschlossen, etwas gegen die Drachengefahr zu unternehmen. So wurden vielerorts rasch die Segel hochgezogen, und weitere Schiffe schlossen sich dem Verband an.
Die Schnelligkeit seemannischer Schiffe, Rauchzeichen und Botschaften, die von dressierten Zweikopfkrähen überbracht wurden, sorgten dafür, dass sich Neuigkeiten schnell verbreiteten, und so erfuhren Orik und Kallfaer bei einem weiteren kurzen Zwischenhalt in einem kleinen Hafen, dass in Seeborg inzwischen der Große Kapitänsrat einberufen worden war, bei dem nicht nur die Kapitäne Seeborgs abstimmungsberechtigt waren, sondern alle Schiffsführer, die während der Tagung des Rats in der Hauptstadt weilten. Allein diese Maßnahme des Hochkapitäns zeigte, wie ernst die Lage war.
Der Verband passierte die Meeresstraße zwischen dem zur Provinz Gutland gehörenden Festland und der Insel Runland, die zusammen mit der Einhorn-Insel, Fischland, Robland und Wal-Land mit seinem bedeutenden Hafen Islaborg eine Inselkette bildete. Die Größe der Insel variierte zwar stark, doch da sie wie an einer Perlenkette
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