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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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der Kapitänshalle, einem gewaltigen, in Fachwerkbauweise errichteten Holzgebäude, dessen Grundkonstruktion aus den Balken der osländischen Riesenbäume gefertigt war und in dem mindestens fünftausend Kapitäne Platz fanden, wenn es zur Vollversammlung des Großen Kapitänsrats von Seeborg kam.
    Orik war vollkommen überrascht, als er auf dem Thron des Hochkapitäns einen Bekannten erblickte.
    „Thalmgar Eishaarssohn!“, entfuhr es ihm.
    „Sei gegrüßt, Orik, verlorener Sohn aus der Sippe von Wulfgar Eishaar“, erwiderte der weißhaarige Mann auf dem Thron. Das ergraute Haar täuschte allerdings hinsichtlich seines Alters. Als er sich erhob und Orik entgegenging, machten seine geschmeidigen Bewegungen und federnden Schritte deutlich, dass er in Wahrheit viel jünger war, als es sein weißes Haupthaar und der ebenso weiße Bart vermuten ließen. Orik nahm an, dass das frühzeitige Ergrauen seines Haares ein Erbe ihres gemeinsamen Vorfahren Wulfgar Eishaar war, denn auch bei ihm selbst zeigten sich bereits die ersten grauen Strähnen. Die einzige Möglichkeit, diesem Erbe zu entgehen, war ein früher Tod, so wie ihn Wulfgar Wulfgarssohn ereilt hatte, als der Schrecken über Winterborg gekommen war.
    „Thalmgar! Was machst du auf dem Thron des Hochkapitäns?“, fragte Orik. „Bist du größenwahnsinnig geworden, oder willst du mich zum Narren halten?“
    „Humor hast du immer bewiesen, wenn wir uns trafen, auch wenn das in den letzten Jahren nicht allzu oft geschah“, entgegnete Thalmgar Eishaarssohn. „Hat man es dir noch nicht gesagt? Nun, dann wäre es das erste Mal, dass die Mitglieder des Kleinen Kapitänsrats ein Geheimnis für sich behalten konnten.“
    „Du meinst ...?“ Orik schüttelte den Kopf. „Das ist wirklich nicht dein Ernst!“
    „Doch, Orik. Der Kleine Kapitänsrat hat mich zum neuen Hochkapitän gewählt. Jetzt muss ich nur noch durch den Großen Kapitänsrat bestätigt werden. Aber das ist im Grunde reine Formsache.“
    Der sogenannte Kleine Kapitänsrat von Seeborg umfasste lediglich die Kapitäne der Hauptstadt, während im Großen alle Kapitäne des Seereichs Sitz und Stimme hatten, so sie die mitunter beschwerliche Reise nach Seeborg auf sich nahmen. Für gewöhnlich schlug der Kleine Kapitänsrat einen Hochkapitän vor, konnte aber auch einen amtierenden Hochkapitän seines Amtes entheben, was die besondere Rolle unterstrich, die die Stadt Seeborg für die Gesamtheit des Seereichs spielte. Die Entscheidung des Kleinen Kapitänsrats musste aber anschließend in beiden Fällen durch den Großen Kapitänsrat bestätigt werden, was bisher jedoch bis auf zwei, drei Ausnahmen immer geschehen war.
    „Was ist mit Hrotgar Feindschlitzer, der dieses Amt seit Jahren innehat?“, fragte Orik. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er freiwillig zurückgetreten ist, nur um für einen Ahnen von Wulfgar Eishaar Platz zu machen.“
    „Nun, Hrotgar Feindschlitzer mag sich einen furchterregenden Namen zugelegt haben, aber jeder weiß, dass es schon sehr lange her ist, da er einen Feind aufschlitzte – mal abgesehen davon, dass nicht wenige meinen, der von ihm erwählte Name sei völlig übertrieben. Aber um auf deine Frage zu antworten: Der Kleine Kapitänsrat war der Ansicht, Hrotgar sei zu alt und zu krank, um das Seereich in dieser schweren Zeit anzuführen. Da ist jemand mit mehr Tatkraft vonnöten, jemand, der im Vollbesitz seiner geistigen wie körperlichen Kräfte ist, was auf Hrotgar nicht zutrifft …“
    „Er machte auf mich nie einen kränklichen Eindruck“, warf Orik ein, während Kallfaer Eisenhammer nur interessiert zuhörte, aber ansonsten schwieg. Orik Wulfgarssohn jedoch versuchte sich stirnrunzelnd zusammenzureimen, welches Intrigenspiel wohl hinter Thalmgars Ernennung zum Hochkapitän stecken mochte. Auch wenn es ihn einerseits freute, dass zukünftig ein Verwandter auf diesen Thron sitzen sollte, so war er doch andererseits davon überzeugt, dass Thalmgar ohne jeden Skrupel vorgegangen war, um seinen offenbar gesundheitlich angeschlagenen Amtsvorgänger von eben diesen Thron zu stürzen.
    Thalmgar beugte sich etwas vor und sprach mit gedämpfter Stimme. „Der arme Hrotgar liegt mit einem furchtbaren Durchfall danieder, und das schon seit Tagen. Ich weiß nicht, welchen unserer Götter er so erzürnt hat, dass der ihn so straft. Aber die Dinge sind nun mal, wie sie sind. An der Sitzung des Kleinen Kapitänsrats hat er überhaupt nicht teilnehmen können.“ Thalmgar

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