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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Ziegenmeyer
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von selbst in seinen Kopf.
    De Vendetta wollte mehr – und er brauchte es auch, um sein Unterfangen fortzusetzen. Dort draußen in den Gängen befand sich eine nicht unerhebliche Zahl von Fabelwesen, in Fachkreisen auch protofabulare Existenzen genannt. Doch allein der Einsatz des heutigen Tages hatte Verluste gebracht, und das würde nicht die Ausnahme bleiben. Leonardo de Vendetta ließ keinen Zweifel daran, dass ihm die Welt nicht mit einem blauen Auge davonkommen sollte.
    Und dafür brauchte er mehr. Mehr Fabelwesen. Einer natürlichen Erweiterung ihres Bestandes würde er nicht zustimmen – also musste er sie herstellen.
    Es gab noch etwas anderes, das Bischof Korkenbaum in den vergangenen Stunden festgestellt hatte: Die Karten aus dem Archiv gaben nicht über den gesamten Minenkomplex Auskunft. Sie waren exakt, sauber und ausgesprochen ordentlich. Doch als man die Ingenieure zum ersten Mal hierher schickte, hatten sie nur jenen Teil vermessen, den sie auch für einigermaßen sicher hielten.
    Korkenbaum kehrte deshalb noch einmal in das Archiv zurück und verlangte nach weiterem Material. Der dort arbeitende Archivar gehörte ebenfalls zu de Vendettas persönlichem Gefolge und musterte ihn außerordentlich herablassend.
    Er bedauere über die Maßen, aber der Bischof habe bereits alle derzeit verfügbaren Unterlagen erhalten. Neugierig erkundigte sich Korkenbaum, ob es vielleicht andere Zeitpunkte gebe, an denen weiteres Material zu bekommen sei. Zunächst schnitt der Archivar eine sauertöpfische Miene. Dann nickte er.
    Es gebe noch Karten aus dem Familienbesitz des Kardinals. Man sei gerade dabei, sie aufzubereiten. Aus irgendeinem Grunde begannen Korkenbaums Fingerspitzen in diesem Augenblick zu jucken.
    Weitere Karten? Ja, außerordentlich alt und hochgradig empfindlich. Direkter Lichteinfall ruiniere sie praktisch sofort, und brüchig seien sie obendrein. Der Archivar blickte den Bischof daraufhin offen an und forderte ihn auf, das Funkeln in seinen Augen zu unterlassen. Es sei weit entfernt von jedweder Möglichkeit, dass er dieses Material in die Hände eines Laien gäbe – ebenso gut könne er es auf der Stelle selbst vernichten.
    Daraufhin machte Korkenbaum den Mann mit der frostigen Seite seines Charmes vertraut. Der Archivar könne es vielleicht nicht wissen, aber es sei erst wenige Stunden her, dass der Kardinal ihn mit der Auffindung weiterer Kammern beauftragt habe, um sein Laboratorium dort zu verstauen. Der auf den neuen Karten verzeichnete Raum reiche dafür nicht aus und wenn man keine weiteren Unterlagen bekommen könne, dann gebe es nur einen Weg, diese Aufgabe zu erfüllen: Man schnappe sich eine Taschenlampe und
wandere so lange ziellos durch einsturzgefährdete Gänge, bis man entsprechende Räumlichkeiten gefunden habe.
    Mit betont freundlichem Lächeln lehnte sich der Bischof über die Theke des Archivars. Er persönlich habe gegen diese Arbeitsweise nichts einzuwenden, in seiner Jugend habe man solch bodenständige Verfahren noch geschätzt. Doch, und bei diesen Worten begann dem Archivar bereits Übles zu dämmern, wie er leichthin sehen könne, sei diese Zeit schon ein Weilchen vorüber.
    Der Archivar hingegen sei bedeutend jünger, soweit er wisse einfacher Mönch und doch gewiss mit den Prinzipien der Hierarchie vertraut. Er solle sich daher ruhig auf den Weg machen. Korkenbaum selbst würde solange hierbleiben und ihn auf seinem Posten vertreten. Kurze Zeit später kehrte der Bischof mit einem Stapel alter Pergamente in sein Arbeitszimmer zurück.
    Während er jedoch eine weitere Rauchwolke aus seiner Nase auf die Karte blies, fragte er sich, ob ihm sein Triumph wirklich etwas nutzte. Zumindest in einem Punkt behielt der Archivar definitiv Recht: Diese Pergamente waren steinalt. Und betrüblicherweise sagte dies einiges hinsichtlich ihrer Lesbarkeit. Die einzelnen Beschriftungen entziffern zu wollen, hatte Korkenbaum schon vor einer ganzen Weile aufgegeben. Zwar glaubte er, dabei sogar den einen oder anderen Erfolg errungen zu haben, doch sicher war er nicht.
    Zu seinem persönlichen Gram jedoch verbargen sich auch die Umrisse der verzeichneten Räumlichkeiten unter einer solchen Unzahl von Flecken und Rissen, dass zumindest auf den ersten Blick beinahe nichts zu erkennen war.
    Es kostete den Bischof fast eine Stunde, auch nur die grobe Reichweite der Karte vor ihm zu bestimmen. Er zog ein weiteres Mal an seiner Zigarette und verspürte dabei ein Kratzen im Hals, das für den

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