Drachengasse 13, Band 01: Schrecken über Bondingor (German Edition)
sie konnte diese beiden Wesen nicht zusammenbringen. „Das passt alles nicht zusammen! Er sah aus, als hätte er mehr Angst vor uns als wir vor ihm .“
Erst als Sando laut schnaubte, begriff sie, dass sie den letzten Gedanken laut ausgesprochen hatte. „Aber nur am Anfang !“ , entgegnete er prompt. „Das Riesenvieh, in das er sich verwandelte, hat mir jedenfalls einen ganz schönen Schreck eingejagt .“
„Trotzdem hat Nissa recht “ , mischte sich Tomrin ein. Ersah nachdenklich aus dem Fenster. Draußen bemühte sich die Sonne vergebens, Licht in die schmale Gasse zwischen den Häusern Nummer 11 und 15 zu bringen, hinter denen das Geheimversteck verborgen lag. „Irgendetwas stimmt hier nicht. Wenn wir meinem Vater davon erzählen und ihn auf die Spur des Nachtfressers setzen … “
„… ist der ängstliche kleine Drache, dem wir begegnet sind, so gut wie tot “ , beendete Hanissa den Satz. „Entweder erschlägt ihn die Garde, oder er fällt Feylor von Garsting in die Hände – und der sieht ganz sicher in ihm nur das Ungeheuer. Der will gar nichts anderes sehen .“
Sando sah fragend von ihr zu Tomrin. „Was sollen wir stattdessen machen? Glaubt mir: Die Stadtgarde und der Marschall können mir gestohlen bleiben. Aber der Nachtfresser ist eine Gefahr für die Leute im Vielvölkerviertel und im Hafenviertel. Müssen wir da nicht den Mund aufmachen ?“
Endlich riss Tomrin sich vom Fenster los und blickte seine Freunde an. In seinen Augen erkannte Hanissa die gleiche Entschlossenheit, mit der er schon gegen Orin und Borin vorgegangen war. „Natürlich “ , antwortete er mit fester Stimme. „Lasst uns noch eine Sache versuchen, dann sehen wir weiter. Einverstanden ?“
Sando nickte. „Klar. Was hast du vor ?“
Tomrin grinste. „Wirst du gleich sehen, Sando. Unser Ziel liegt nicht weit von hier .“
Sando wusste nicht, was schlimmer war: der Gestank oder das Gebrüll.
Je näher sie dem großen Gelände kamen, das auf einer Hügelkuppe am nördlichen Ende der Drachengasse lag, desto mehr wünschte er sich, woanders zu sein. Drachen waren in Bondingor kein allzu seltener Anblick. Oft flog die Stadtgarde auf Flugdrachen über den Straßen und Gassen Patrouille. Außerdem gab es Händler, die kleine Zuchtdrachen verkauften. Diese konnten weder fliegen noch Feuer spucken, aber manche Leute hielten sie als Haustiere. Trotzdem war dem Hafenjungen ein wenig mulmig bei dem Gedanken, sich zu einem Hort der geschuppten Wesen zu begeben – ganz egal, was Tomrin sagte.
Drachenschule Bonding r stand in großen Buchstaben über dem offen stehenden Tor – das zweite o war irgendwie abhandengekommen. Rechts und links des Eingangs erstreckten sich hohe, meterdicke Mauern, hinter denen hier und da einzelne Hausdächer und geräumige Käfige aufragten.
„Bist du wirklich sicher, dass uns nichts passieren kann ?“ , fragte Sando Tomrin, während seine Hand unwillkürlich zum Dolchgriff wanderte.
Dieser lachte. „Keine Sorge. Ich kenne Osrum, seit ich denken kann, und bin schon oft hier gewesen. Die Drachenschule ist einer der sichersten Orte der Stadt .“
Die drei Freunde hatten das riesige Grundstück jenseits der Mauern kaum betreten, da schoss eine Stichflamme keine zwei Handbreit an Sandos Gesicht vorbei!
„Himmel, noch eins! Könnt ihr nicht besser aufpassen, ihr Schlafmützen ?“ , brummte jemand. Die Stimme war tief, aber trotzdem sehr, sehr laut. Sie hallte über den breiten Innenhof und von den hohen Wänden wider.
Starr vor Schreck waren die drei stehen geblieben. Sando schlug das Herz bis zum Hals, als sich das pechschwarze Ungetüm, dem er unachtsam in den Weg getreten war, wieder abwandte und auf einen Transportkarren zustapfte. So einen großen Drachen hatte er noch nie gesehen – erst recht nicht aus nächster Nähe! Die dunklen Schuppen des Tieres glänzten in der Nachmittagssonne, was den Drachen noch unheimlicher aussehen ließ.
Die Ladetüren des Karrens standen weit offen. Mehrere Männer mühten sich, den gut vier Meter hohen und zehn Meter langen Drachen die Rampe hinauf und in den Käfig auf der Ladefläche zu bekommen. Sie führten ihn an schweren eisernen Ketten, als würden sie so etwas jeden Tag machen. Trotzdem: Viel hätte nicht gefehlt, und Sando wäre um eine Nase kürzer gewesen.
Einer der sichersten Orte der Stadt , wiederholte er in Gedanken und warf Tomrin einen Blick zu.
Der lächelte kläglich. Die Farbe war noch nicht in sein Gesicht
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