Drachengasse 13, Band 01: Schrecken über Bondingor (German Edition)
diesem Augenblick tauchte Hanissa im Fenster auf. In der Hand hielt sie ein verkorktes Fläschchen mit einer glitzernd weißen Flüssigkeit. „Was ist denn hier los ?“ , fragte sie verwundert.
„Nissa, das ist Glukk “ , sagte Sando. „Unser Nachbar .“
„Oh “ , sagte das Mädchen. „Guten Tag. Ich wusste gar nicht, dass Ihr lebt .“
„Da bist du nicht die Einzige .“ Glukk seufzte. „Aber nun, da wir das geklärt haben, würde ich sehr gern weiterschlafen. Wer weiß, wie lange das Wetter noch so trocken bleibt! Wenn es erst mal regnet, habe ich viel zu tun, das könnt ihr mir glauben .“ Er schielte zum Himmel, an dem ein paar vereinzelte Wolken vorüberzogen.
„Schön, wir können auch aufbrechen “ , sagte Hanissa zu den Jungen. „Ich bin fertig .“
Sando nickte. „Dann wollen wir keine Zeit verlieren !“
„Bis dann, Glukk “ , verabschiedete sich Tomrin. „War nett, dich kennenzulernen .“
„Ja, tja, euch auch “ , murmelte der Wasserspeier in seinen steinernen Bart hinein, bevor er die Augen wieder schloss.
Der Nachmittag war bereits fortgeschritten, als sich die drei Freunde erneut der Schenkenruine im Ostend des Vielvölkerviertels näherten, in der sie Fleck das letzte Mal angetroffen hatten.
„Hoffen wir, dass er noch da ist und nicht jeden Tag woanders schläft “ , sagte Hanissa leise, als sie im Schatten des Hauses in Deckung gingen.
„Warum sollte er nach einem neuen Versteck suchen, solange ihn in seinem alten niemand stört ?“ , wandte Tomrin ein.
„Wir haben ihn gestört “ , gab Sando zu bedenken.
„Hm, richtig “ , gab Tomrin zu. „Aber vielleicht hat er uns nicht als Gefahr angesehen .“
Sando lachte belustigt auf. „Das wäre ja auch noch schöner. Wer ist hier der gefräßige Drache ?“
„Osrum meinte, Fleck sei nicht gefährlich “ , erinnerte Hanissa sie.
„Solange Fleck als Nachtfresser das auch weiß, ist es ja gut .“ Der Straßenjunge warf ihnen einen schiefen Blick zu.
„Wir werden es herausfinden “ , sagte Tomrin und richtete sich auf. „Kommt .“ Dann fiel ihm noch etwas ein, und er streckte die Hand aus. „Den Gegenzaubertrank, Nissa. Gib ihn mir .“
„Nein “ , widersprach sie und legte ihre Hand auf ihren Beutel. „Ich habe ihn gebraut, ich gebe ihn Fleck .“
Tomrin blickte sie streng an. „Aber vielleicht ist er dochgefährlich. Ich lasse nicht zu, dass er dir etwas antut .“
„Seit wann bist du der große Drachenkenner ?“ , fragte sie.
„Ich habe Osrum schon ein paar Mal zugeschaut “ , verteidigte er sich.
„Und ich kenne mich mit Magie aus .“
Sando verdrehte die Augen. „Gebt mir den Trank “ , sagte er. Als Tomrin und Hanissa ihn verwirrt anstarrten, zuckte er mit den Schultern. „Ich habe zwar keine Ahnung, worauf ich mich einlasse, aber ich kann schnell weglaufen, falls etwas schiefgeht. Schneller als ihr beide. Und ich glaube, das ist das Wichtigste .“
Tomrin dachte darüber nach. Widerwillig musste er Sando recht geben. Wenn Fleck sie angriff, halfen weder sein Kurzschwert noch Hanissas Magie. Dann half nur, die Beine in die Hand zu nehmen. Er schaute Hanissa auffordernd an.
Widerstrebend kramte das Mädchen das Fläschchen hervor und reichte es Sando. Der steckte es in den Gürtel.
Vorsichtig begaben sie sich ins Innere des Hauses. Alles wirkte noch so, wie sie es verlassen hatten. Tomrin hob den Kopf und lauschte. Drang da ein dumpfes Schnaufen aus dem ersten Stock? Fragend sah er zu Hanissa und Sando, die beide nickten. Fleck – der Nachtfresser – war noch immer hier!
Tomrin sah, wie Sando die Fäuste ballte und die Lippen zusammenpresste. Die ganze Angelegenheit war ihm sichtlich nicht geheuer. Aber er war zu stolz, um seine Furcht offen zuzugeben. Tomrin konnte das gut verstehen.
Langsam durchquerten sie den Schankraum und schlichen die Treppe hinauf. Oben angekommen, lugten sie über den Rand der Treppe in das zertrümmerte erste Stockwerk. Der Fleischberg, der am Vortag in der Mitte des Raumes gelegen hatte, war bis auf ein paar Knochenreste verschwunden. Auch von Fleck fand sich auf den ersten Blick keine Spur. Das gleichmäßige Schnaufen war allerdings deutlich zu hören.
„Wo ist er ?“ , fragte Hanissa leise.
„Er versteckt sich irgendwo zwischen dem ganzen Unrat “ , vermutete Tomrin. In der hinteren Hälfte des Raumes türmten sich heruntergefallene Dachbalken, Mauerwerk und kaputte Möbel.
Das Mädchen lauschte. „Es klingt so, als würde er schlafen
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