Drachengasse 13, Band 02
funkelte den Jungen grimmig an. „Kommst du freiwillig mit, oder müssen wir dich in Ketten legen ?“ Dabei spielten die Finger seiner rechten Hand mit einer kurzen Kette, die ihm vom Gürtel hing. Zwei Schellen befanden sich an ihren Enden, gerade groß genug für Handgelenke.
„Mitkommen ?“ Sando sah von einem Zwerg zum anderen. Obwohl er noch ein wenig unsicher klang, hatte er sich wieder gefasst. „Wohin ?“
„Na, auf die Wache, natürlich “ , erwiderte der Zwerg. „Du bist verhaftet, wie ich bereits sagte .“
„Weswegen ?“ Sando schüttelte leicht den Kopf. „Ich habe nichts getan .“
„Darüber wird Wehrmeister Granitschleifer entscheiden “ , sagte der Zwerg unbeeindruckt. Abermals klimperte er mit den Kettengliedern. „Letzte Warnung, Junge: Begleitest du uns freiwillig, oder muss ich dich zwingen ?“
Sando nickte knapp. „Gehen wir .“ Für seine Freunde, die ihn sprachlos anstarrten, hatte er nicht einmal mehr einen Blick übrig.
Hanissa ahnte, dass er den Mutigen nur spielte. Vermutlich wäre er am liebsten weggelaufen. Andererseits wussten die Zwerge, wo er wohnte – es hätte also ohnehin nichts gebracht.
Sofort kamen die anderen zwei Zwerge herbei und nahmen Sando in ihre Mitte. Dann gingen sie los, der Oberwehrmann voraus und die Wachen mit dem Gefangenen hinterher.
„Ihr habt kein Recht, Leute zu verhaften !“ , rief Tomrin und schritt ebenso furcht- wie ratlos neben ihnen her. „Auch im Zwergenviertel hat allein die Stadtgarde das Sagen. So will es das Gesetz .“
Hanissa legte Fleck einen Arm um den Hals, um ihn unter Kontrolle zu halten, und eilte der Gruppe nach. Der kleine Drache fauchte und sah den Wehrmännern wütend hinterher.
„In diesen Straßen sind wir das Gesetz, Menschlein “ , brummte der Oberwehrmann und schnaubte abfällig. Dann breitete er die Arme in einer großen Geste aus. „Sieh dich ruhig um: Du wirst hier niemanden finden, der auch nur auf die Idee käme, Ritter Ronan und seine Sattelknaben zu rufen, wenn etwas geschieht. Zwerge bleiben unter sich, und sie sorgen füreinander .“
Hanissa schluckte. Das passte zu dem, was sie bisher über diese Gegend und ihre Bewohner erfahren hatte. Und es machte Sandos Lage noch schlimmer.
„Sattelknaben ?“ , wiederholte Tomrin. Je länger er den Beleidigungen des Oberwehrmanns zuhörte, desto mehr schwand sein Respekt vor diesen Zwergen, das sah Hanissa ihm an. „Was fällt Euch ein, so von der Stadtgarde zu sprechen? Von Männern, die im Dienste des Barons stehen ?“
Der Oberwehrmann hielt an, drehte sich zu Tomrin und kam näher, bis seine Nasenspitze fast die des Jungen berührte. „Wenn du die Stadtgarde so toll findest, Kleiner “ , grollte er, „warum bist du dann hier, statt deinen Helden die Stiefel zu putzen? Die freuen sich sicher über einen eifrigen Diener wie dich .“
Tomrin stand der Mund offen. Einen Moment lang war er so verblüfft, dass ihm die Worte fehlten.
„Lass gut sein, Tomrin “ , bat Sando leise.
„Von wegen .“ Tomrin hatte sich wieder gefangen. „Ich bin Tomrin von Wiesenstein, Sohn des Hauptmanns der Stadtgarde. Und ich weiß , dass Ihr so nicht mit Sando umgehen dürft .“ Entschlossen sah er den Oberwehrmann an, obwohl ihm dabei ziemlich mulmig sein musste. Er lehnte sich ganz schön weit aus dem Fenster, Hauptmannssohn hin oder her. Wäre er nicht so wütend gewesen, hätte er es wahrscheinlich nie gewagt, so respektlos mit einem Erwachsenen zu sprechen.
„Ritter Bärenherz ist dein Vater ?“ Grombur nahm überrascht die Hand vom Hammer.
Sein Vorgesetzter warf ihm einen warnenden Blick zu. Es gefiel ihm ganz offensichtlich nicht, dass Grombur schon wieder ungefragt den Mund aufmachte. Aber auch er schien überrascht zu sein.
Bei der Erwähnung des Ehrennamens, den sein Vater sich durch viele Heldentaten erworben hatte, schien Tomrin einen Kopf größer zu werden. Triumphierend – wenn auch ein wenig bleich um die Nase – stand er da.
Doch seine Herkunft reichte nicht aus, um den mürrischen Oberwehrmann zum Einlenken zu bewegen. „Von wem du abstammst, interessiert mich nicht, Bursche “ , sagte er. „Wenn es dir nicht passt, dass wir deinen Freund mitnehmen, darfst du von mir aus gern nach Hause laufen und Bärenherz alarmieren. Aber bis der mit seinen Mannen hier aufkreuzt, gehört dieser Halbzwerg uns. Und mehr Zeit brauchen wir auch nicht, um ihn uns vorzunehmen .“ Dann wandte er sich wieder an seine Begleiter: „Wehrmann Grombur,
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