Drachengasse 13, Band 04
prangte in roten Lettern auf der Seitenverkleidung der Lastkutsche – aber das konnte Fleck natürlich nicht lesen.
Wo so viele Drachen waren, würde ein weiterer nicht auffallen. Als die Kutsche an seinem Versteck vorbeirumpelte, rannte Fleck deshalb auf sie zu und hopste mit einem Satz auf die Ladefläche. Einer der größeren Flugdrachen spreizte seine beneidenswert schönen Flügel – so weit es in dem Käfig eben ging – und fauchte Fleck zornig an. Fleck antwortete mit einem flehenden Quäken.
„Ruhe dahinten“, rief der Kutscher, ein hünenhafter Bursche mit fleckiger Schürze, ohne sich umzudrehen.
Der große Flugdrache schnaubte nur, und der Kopf an seinem langen Hals pendelte in eine andere Richtung. Fleck interessierte ihn nicht länger.
„He, Gunnor, bringst du uns eine neue Lieferung?“, erklang die Stimme eines der Wachsoldaten.
„Ganz richtig, Hakon“, gab dieser zurück. „Neue Flugdrachen für die Garde. Außerdem hieß es, wir sollten zwei eurer Spürechsen abholen, weil sie erkältet sind und die anderen nicht anstecken dürfen. Stimmt das?“
„Davon weiß ich nichts“, sagte Hakon. „Frag mal beim Stallmeister nach. Aber es kann schon sein, dass irgendjemand im Stall die Nase so richtig voll hat. Ich habe letzte Nacht Geräusche gehört, die klangen, als versuche jemand durch einen Krug Bier zu atmen.“
Die beiden Männer lachten.
Die Lastkutsche passierte das Tor und fuhr in den Hof der Festung. Noch bevor sie an den Drachenställen zum Halten kam, ließ Fleck sich von der Ladefläche fallen. Er lief über den Burghof zu dem zweistöckigen Steinhaus, das sich an den mächtigen Bergfried, den höchsten Turm der Festung, schmiegte. Dort wohnte Tomrin mit seinen Eltern.
Die Eingangstür zum Haus stand weit offen. Hastig hüpfte er die drei breiten Stufen empor. Der Flur dahinter war leer. Drei Türen zweigten davon ab, und eine hölzerne Treppe führte nach oben. Fleck wusste, dass Tomrins Zimmer unter dem Dach lag. Also würde er dort sein Glück versuchen.
Als er an der angelehnten Küchentür vorbeiging, begann seine Nase zu zucken. Ein verführerischer Duft wehte ihm entgegen. Es roch nach kaltem Braten, frischem Brot, nach Käse und nach Obst.
Flecks Magen knurrte geräuschvoll. Er hielt an. Einen kurzen Abstecher konnte er wagen.
Hechelnd vor Vorfreude tapste Fleck in die Küche – und sah seine Ahnungen bestätigt. Auf einem Tisch in der Mitte des Raumes stand ein großes Tablett, auf dem sich, wie es schien, Reste eines Frühstücks stapelten. Selig japsend streckte Fleck die Ärmchen aus, um sich ein halb aufgegessenes Käsebrot zu schnappen, das auf einem der Blechteller lag. Leider waren seine Arme nicht lang genug. Kurzerhand packte er das ganze Tablett und versuchte, es ein wenig zu kippen, damit der Teller näher zum Rand rutschte.
Im nächsten Augenblick gab es ein furchtbares Gepolter, als das Tablett samt allem, was daraufstand, erst Fleck auf den Kopf und anschließend zu Boden fiel.
Als wäre das noch nicht genug des Unheils, ertönte plötzlich aus Richtung der Tür ein erschrockener Schrei, und einen Lidschlag später landete scheppernd ein Eimer auf den Steinfliesen der Küche.
Fleck fuhr herum, das erbeutete Käsebrot schützend an die grüne Drachenbrust gepresst. Ein furchtsames Quäken entrang sich seiner Kehle. Unbeholfen tappte er zwei Schritte rückwärts, stolperte dabei über einen Blechteller und landete unsanft auf seinem Schwanz.
„Fleck?“ Das Mädchen im Türrahmen war etwas älter als Tomrin. Sie hatte schmale Schultern und große, braune Augen. Die Schürze, die sie trug, wies sie als Bedienstete derer von Wiesenstein aus. Es war Lisehra. „Du bist doch Fleck, der kleine Drache von Hanissa, oder?“ Sie schob den Eimer zur Seite, trat etwas näher und ging in die Hocke. Auf einmal schien sie keine Angst mehr zu haben.
Fleck rappelte sich auf und gab ein bestätigendes Schnauben von sich. Er ließ sogar zu, dass sie die Hand ausstreckte und ihm über die Schnauze strich.
„Aber was machst du denn hier, Fleck?“, fragte Lisehra. „Ist Hanissa auch hier?“
Der Jungdrache zuckte zusammen und wimmerte. Rasch schob er sich das Käsebrot ins Maul und schluckte es, ohne zu kauen, hinunter.
„Oder bist du ganz allein?“, fragte Lisehra weiter. Sie griff zu Boden und hielt Fleck ein Stück Braten hin, das er dankbar entgegennahm und augenblicklich verschlang. „Aber wie kann das denn sein? Bist du durch ganz Bondingor
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