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Drachenglut

Titel: Drachenglut
Autoren: Jonathan Stroud
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die Tatsache ignorierst, dass du mit Körper und Seele mit ihm und mit uns ve r bunden bist.«
    Stephen verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den andern. »Du bist nicht mehr wie ich. Auf dem Feld … da ist deine Seele geschmolzen. Sie hat ihre Form und Farbe geändert. Du wirst wie die a n dern.«
    »Und was, glaubst du, geschieht mit deiner?« Ein zufriedenes Lächeln huschte über Michaels Gesicht, seine Augen funkelten. »Bis jetzt ist es nur eine kle i ne Veränderung, aber das Pferd ist auch nicht mehr das, was es mal war, Stevielein.«
    Plötzlich sprang er vom Baum herab, aber langs a mer, als die Schwerkraft es bewirken würde. Er stand dicht vor Stephen und streckte die Hand aus.
    »Spürst du nicht den Schmerz in deinen Augen? Fühlst du nicht eine tiefe Sehnsucht nach Veränd e rung, nach dem BLICK? Doch, du tust das, ich weiß es. Und bald willst du den BLICK immer einsetzen, du willst die funkelnden Seelen um dich herum s e hen, du willst sie einsammeln, mit ihnen spielen, sie wegwerfen, du willst das Feuer in dir spüren und wie ein Vogel hoch über die Welt fliegen.«
    Stephen wollte etwas sagen, aber sein Bruder red e te weiter. »Streite es nicht ab! Deine Gaben sind schwach, und du gehst damit schwach um, aber es ist auch dein Schicksal. Also hör zu: Halte dich heute zurück, dann kriegst du heute Abend vielleicht schon eine Belohnung.«
    »Was geschieht heute Abend?«
    Das Lächeln war wieder da. Sekundenlang sah Stephen auch ohne den BLICK das spitz zulaufende Maul, die Zahnreihen. Ihn schauderte.
    »Alle werden befreit werden«, sagte Michael.
    Er winkte kurz und schon saß er wieder auf dem Ast in der Baumkrone. Das Morgenlicht strömte auf die Lichtung, aber Michael lehnte sich an den Stamm und wirkte dort im Schatten seltsam unwirklich.
    »Ich muss jetzt los. Um acht wachen sie auf.«
    »Was ist mit Sarah?«
    »Wenn alles gut läuft, lassen sie sie morgen gehen. Vielleicht sogar schon heute Nacht. Ihr passiert nichts.«
    Stephen fühlte ein Zittern im Kopf und spürte, dass Michael sich im tiefsten Innern unsicher war.
    Er sagte: »Und warum sollte ich dir vertrauen?«
    Michael machte eine abschätzige Geste, sah zum Himmel hoch und schnaubte verächtlich. »Weil ich mich durch meinen Besuch hier bei dir selbst in G e fahr gebracht habe. Du glaubst doch wohl nicht, dass sie mir so vertrauen, dass sie mich zu dir schicken, oder? Nicht nach dem Desaster auf dem Feld. Saw croft und Pilate würden mich am liebsten brennen s e hen.«
    »Warum bleibst du dann nicht hier?«
    »Weil ihre Angst eher ein Kompliment ist. Und weil sie mich brauchen. Aber hauptsächlich, weil ich sie brauche. Und du auch, Stephen. Wir beide hatten es in letzter Zeit nicht leicht. Aber ich krieg das schon für uns hin, keine Sorge.«
    Er erhob sich plötzlich über die Lichtung.
    Ein Windstoß traf Stephen, als die Hitze über ihm aufwallte. Es raschelte, als Michael das dichte Lau b dach hoch über ihnen durchstieß.
    Seine Stimme kam aus dem Nichts: »Mit Leib und Seele, Stephen, mit Leib und Seele! Du wirst mir noch mal dafür danken!«
    Die Stimme verklang.
    Stephen war allein in dem Wald. Plötzlich zwi t scherten von jedem Baum Vögel, trillerten und pie p sten unablässig in den angsterfüllten Himmel.

 
     
    34
     
    Bei seiner Rückkehr fand Stephen Tom noch i m mer schlafend vor. Er weckte ihn und berichtete von der Begegnung.
    Tom war entsetzt. »Aber wenn er weiß, wo wir sind, was hält ihn dann von einem Angriff ab?« Er versuchte aufzustehen, aber seine erstarrten Glieder gehorchten ihm nicht richtig.
    »Er verrät ihnen nichts. Er ist zwar verrückt, aber er ist mein Bruder.«
    Tom schüttelte den Kopf. Die Jagd über die Felder hatte ihn sehr angestrengt. Als er von Sarahs Gefa n genschaft hörte, stöhnte er laut auf und vergrub se i nen Kopf in den Händen.
    »Daran können wir momentan nichts ändern«, sagte Stephen. »Aber vielleicht kriegen wir später noch eine Chance. Nach dem, was Michael sagte, werden sie nachher zu beschäftigt sein, um uns zu beobachten.«
    »Ja – beschäftigt.« Tom lehnte den Kopf an den Stamm und seufzte tief. »Und wie. Oh, was habe ich nur getan?«
    »Hör auf, dich zu bemitleiden. Wir wissen nicht, was sie vorhaben, und das ist ja wohl kaum … «
    »Meine Schuld? Aber natürlich ist es meine Schuld! Wer hat denn das Siegel rausgeholt? Wer hat ein Stück davon in der Erde gelassen, sodass man es leicht stehlen konnte? Wie lange hat es sicher in der Erde gelegen,
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