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Drachenglut

Titel: Drachenglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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seltsam gedämpft.
    »Wo ist Aubrey?«
    »Irgendwo in der Nähe.«
    »Halt mich nicht zum Narren. Ich kann deine G e danken lesen. Aber das ist bedeutungslos. Ich wüsste es, wenn er in der Nähe wäre.«
    »Bist du hier, um uns umzubringen?«
    »Nein – obwohl ich das natürlich tun könnte. Ich wollte dich warnen.«
    »Na klar, so wie du uns auf dem Feld gewarnt hast.«
    »Ich hab euch da auch nicht umgebracht, genau wie jetzt – solange du keine Dummheiten machst. Wenn du Beweise brauchst, wie war’s damit: Ich hab dich schon vor einer Stunde erfühlt, als ich zum R u sset kam. Ich wusste, dass du schläfst, ich hätte dich in deinem Schlaf aufspüren oder Cleever herholen können. Na?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Sei doch kein Narr!« Michael schlug mit der Faust auf die Rinde, und der ganze Baum erzitterte. »Hör doch ein Mal im Leben auf mich! Was ich dir sagen will, kann dir nur nützen.«
    »Also?«
    Stephen stand angespannt da, sein Verstand arbe i tete ganz ruhig, er versuchte, psychische Strömungen zu erspüren, die ihm sagen könnten, ob sonst noch jemand in dem morgendlichen Wald anwesend war. Aber er fühlte sich nicht bedroht, da war n ichts außer dem Zorn und der Furcht, die von seinem Bruder ausstrahlten.
    Wahrscheinlich sagt er die Wahrheit, dachte er, was immer das auch heißen mag.
    Unvermittelt begann Michael auf seinem Ast he f tig zu zittern.
    »Es ist kalt. Hör mal, Stephen, ich bin stärker als sie, aber sie haben das noch nicht ganz begriffen. Sie hätten dich hier im Wald nicht finden können, und auch jetzt wissen sie nicht, dass mir das gelungen ist. Wahrscheinlich werden sie es nie erfahren.«
    Er hielt inne, als ob er daran zweifelte. Das Du n kel hinter ihm wurde von blassen Lichtstreifen durchzogen.
    Mit hochgezogenen Schultern sprach er dann we i ter. »Ich bin zu dir gekommen, obwohl du mir mal nicht geglaubt hast und obwohl du mich eingesperrt hast. Weil wir Brüder sind. Also hör mir gut zu: He u te wird etwas passieren, und daran kannst du nichts ändern. Es ist was Gutes, jedenfalls für uns, und wenn du auch nur eine Spur Verstand hast, hältst du dich da raus, wartest bis heute Abend und siehst dir an, was geschieht. Aber so klug bist du nicht, deshalb werde ich mich ganz klar ausdrücken. Sie wissen, dass ihr im Russet seid, und werden das umliegende Land beobachten.«
    »Warum kommen sie nicht her und fangen uns?«
    »Durch das Feuer ist es hier viel zu unruhig. Sie müssen erst mal warten, bis sich alles wieder ber u higt hat, und bestimmt wollen sie keinen Waldbrand riskieren … Außerdem haben sie Wichtigeres zu tun. Deshalb werden sie den Tag über den Russet und die Wege zum Dorf beobachten, und wenn sie euch s e hen, dann werden sie dafür sorgen, dass ihr sie nicht mehr stören könnt.«
    »Der Russet ist ziemlich groß.«
    »Stimmt. Aber da ist noch was, was du bestimmt nicht vergessen hast und der Papst erst recht nicht: Wir haben Sarah. Wenn e iner von euch uns heute irgendwie in die Quere kommt, dann muss sie das ausbaden. Hast du ve r standen, Stevie?«
    »Michael, du redet über Sarah! Deine Schwester! Was zum Teufel meinst du mit ›ausbaden‹? Werdet ihr sie umbringen?« Das war der bislang härteste Schlag, den Stephen aushalten musste.
    »Nur die Ruhe.« Immer rascher strömte Helligkeit auf die Lichtung. Stephen sah die blasse Haut seines Bruders, seine rauchverdreckte Kleidung, das rote Blitzen seiner Augen, wenn ein Lichtstrahl darauf traf. »Natürlich bring ich sie nicht um. Keiner. Sie wird das gut überstehen.« Michael redete jetzt r a scher, als fühle er sich unwohl. »Ich wiederhole nur, was Cle e ver gesagt hat. Er tut ihr nichts, wir halten sie nur fest, bis der heutige Tag vorüber ist.«
    »Was zum Teufel habt ihr vor? Ihr seid total ve r rückt!«
    »Verrückt?« Michael hob den Kopf und lachte, ein hohes Schrillen in der frühen Morgendämmerung. Von weit her antwortete ihm ein Hahn, die Töne vermischten sich, bis das Gelächter erstarb. Dann saß er wieder reglos auf dem Ast. »Wir tun das, um dem Wahnsinn entgegenzuwirken. Du kennst den Preis nicht, den wir für die vier Gaben bezahlen müssen. Wenn du den Atem des Drachen aufgenommen hä t test, wie du es eigentlich hättest tun sollen, dann wüsstest du eine Menge mehr. Selber schuld, das war eben dein Fehler.«
    »Ich weiß über den Drachen Bescheid.«
    »Teilweise. Aber längst nicht so gut, wie du denkst. Du siehst alles nur aus der Perspektive eines Außenseiters, weil du

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