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Drachenglut

Titel: Drachenglut
Autoren: Jonathan Stroud
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hatte sie unablässig gegrübelt, um den Grund für ihre Gefangenschaft herauszufinden. Immer wieder fielen ihr dabei Toms wilde Fantasien ein: von dem Kreuz, den Überlieferungen, d em Diebstahl, dem Drachen. Nichts davon ergab einen Sinn, genau so wenig wie ihre Gefangenna h me.
    Was hatten diese Verrückten bloß vor?
    Sie hatte niemanden zu sehen bekommen, obwohl sie einmal weggedöst war und nach dem Aufwachen direkt bei der Tür etwas zu essen vorgefunden hatte. Aber sie hatte ein paar Dinge gehört, die sie in ihrem Gefühl der Unwirklichkeit nur noch bestärkten. Am Nachmittag hatte es einen lauten Knall gegeben und weit weg hatte jemand lange gehustet. Gelegentlich waren draußen vor der Tür Stimmen vorbeigeko m men, und sie hatte mit Sicherheit mehr als einmal Mr Cleevers Stimme erkannt. Mr Cleever, der Gemei n derat …
    Die Welt war verrückt geworden.
    Während der Nacht war es, abgesehen von Schri t ten im Zimmer über ihr, im Haus still gewesen.
    Sarah hatte unruhig geschlafen.
    In der ersten Morgendämmerung bewegte sie sich, und schon stieg wieder Staub auf, und ihre Nasenfl ü gel bebten. Es dauerte Minuten, bis sie ihre träne n den Augen öffnen konnte. Als sie es endlich schaffte, stand ihr jüngster Bruder im Zimmer.
    »Michael!«
    Sarah rappelte sich auf, lief auf ihn zu und wollte ihn umarmen. Michael blieb steif stehen und ließ die Umarmung über sich ergehen, ohne sie zu erwidern.
    »Ich kann nicht lange bleiben. Ich wollte nur wi s sen, wie es dir geht.«
    »Gut. Wie bist du hereingekommen? Nein, bring mich als Allererstes hier raus. Die haben mich hier eingeschlossen.«
    »Ja. Ich hab den Schlüssel. Ich hab ihn geklaut, als sie schliefen.« Er hielt ihn hoch und ließ ihn um den Finger rotieren.
    »Dann schnell! Los, nichts wie weg.«
    »Bedaure, Sarah, aber anscheinend verstehst du das nicht. Ich kann dich nicht rauslassen.«
    »Was? Mach keinen Blödsinn! Wir haben keine Zeit … «
    »Sei still!« Michaels wütendes Flüstern brachte Sarah zum Schweigen. »Ich riskiere hiermit schon genug. In zwanzig Minuten sind alle wach. Also sei still und hör zu. Dir passiert nichts. Wir lassen dich später frei.«
    » Wir?«
    »Sei still, hab ich gesagt! Wir haben heute etwas zu erledigen, und danach kannst du gehen. Du kannst dann auch zur Polizei rennen, das ist uns dann egal. Also sei still.«
    »Michael, wovon redest du? Gib mir den Schlü s sel!« Tränen der Verwirrung stiegen Sarah in die Augen.
    Michael bekam einen roten Kopf und stampfte mit dem Fuß auf. »Hör bloß damit auf! Das war dein e i gener Fehler – hier herumzuschnüffeln. Du wolltest hinter mir her spionieren und meine Macht brechen. Das geschieht dir ganz recht, jawohl! Warum hast du mich nicht in Ruhe gelassen?«
    Sarah weinte.
    »Du bist verrückt! Ich bin hier nicht zum Spioni e ren! Das ist mein Job! Er hat mir erzählt, das Haus wäre verlassen! Das hatte mit dir überhaupt nichts zu tun. Du bist verrückt.«
    Michael kniff die Augen zusammen. »Was meinst du mit: ›Er hat mir gesagt‹? Wer?«
    »Na, Mr Cleever.«
    »Was? Lüg mich nicht an!« Michael war wütend.
    Aber Sarah stand da und umklammerte mit beiden Händen ihren Kopf. Plötzlich spürte sie einen st e chenden Schmerz hinter der Stirn aufflackern und wieder verebben. Es war still im Zimmer. Sie schaute auf und sah, wie ihr Bruder sie zweifelnd und unen t schlossen anstarrte.
    »Cleever hat dir wirklich von dem Hof erzählt. Das hat er mir gegenüber verschwiegen.« Er runzelte die Stirn und ballte die Fäuste. Eine Hitzewelle schlug Sarah entgegen.
    »Komm schon, Michael! Lass uns gehen. Ich habe keine Ahnung, ob du weißt, was du da tust, aber es ist bestimmt falsch. Siehst du das nicht? Bitte – egal, was hier läuft, egal, was du getan hast, wir bringen das wieder in Ordnung, du musst mich nur gehen la s sen. Ich kann dir helfen … «
    »Ich kann mir selbst helfen!«, fauchte Michael. »Du, Stephen, Aubrey und Cleever – ich traue ke i nem von euch! Wir werden ja heute Abend sehen, wer die meiste Kraft hat. Wart’s ab!«
    »Michael, weißt du eigentlich, wie blöd du dich anhörst?« Sarah hob ihr tränen- und staubve r schmiertes Gesicht. »Du hörst dich an wie ein trotz i ges kleines Gör. Werd erwachsen und lass mich hier raus!«
    Michaels Gesicht verzerrte sich vor lauter Wut.
    Da verwandelte sich Sarahs Unglauben in ve r zweifelten Zorn. Sie sprang auf ihn zu und wollte ihm den Schlüssel entreißen. Doch da glitt er nach oben, durch ihre
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