Drachengold: Roman (German Edition)
pensionierten Gentleman zurückzugreifen, verfinsterte sich Rileys Miene noch mehr.
Laurence war jetzt ausgesprochen dankbar dafür, dass Riley längst von der Existenz weiblicher Offiziere unter den Fliegern erfahren hatte, sodass bei ihm keine langen Erklärungen nötig waren. Es stimmte, dass Roland niemals die üblichen Freuden der Ehe und Familie erwarten durfte, sodass vieles von dem, was einer jungen Frau sonst beim Heranwachsen beigebracht wurde, für sie ohne Bedeutung bleiben würde. Aber Laurence wusste genau, was er von einem Kapitän zur See halten würde, der zuließe, dass sich seine jungen Oberfähnriche beim Spielen verschuldeten, sich in ungesundem Maß dem Trinken oder Huren hingäben oder sich in sonst irgendeiner Weise als völlig unannehmbar für eine Frau von Verstand und Charakter machen würden. Er wollte sich eine solche Vernachlässigung nicht vorwerfen müssen und hatte auch nicht vor, weiterhin eine Situation zu dulden, die jetzt schon dazu geführt hatte, dass Roland Beleidigungen ausgesetzt war.
»Selbst wenn ich nur eine Magd in den Dienst nehmen würde, wäre schon etwas gewonnen«, sagte er.
»Du solltest dich besser an Mrs MacArthur wenden«, schlug Riley vor. »Wenigstens wird sie dir einen Rat geben können, was zu tun ist, und dich vielleicht mit einer geeigneten Person zusammenbringen, wenn das denn in so kurzer Zeit überhaupt möglich ist. Ich denke, wir werden morgen den Wind bekommen, den wir brauchen, und mittags mit der Flut auslaufen.«
Sie traten auf das Deck hinaus, auf dem lautstarker Betrieb herrschte, denn es wurde gerade gescheuert, und es stank nach frischer Farbe. Die Matrosen schufteten unter dem wachsamen Auge von Lord Purbeck, dem Ersten Leutnant. Laurence dachte, dass Riley recht hatte: Es lag etwas in der Luft, das an seine alten Instinkte rührte.
»Wenn du jemanden findest, dann kann ich natürlich für die Einzelkojen sorgen«, ergänzte Riley. »Ihr drei habt nicht viele Besatzungsmitglieder, und es ist noch jede Menge Raum in den Bugkabinen.« Diese waren normalerweise für die Flieger vorgesehen, die an Bord eines Drachentransporters untergebracht waren und meist viel zahlreicher waren als dieses Mal. »Ich schätze, meine eigenen Leute werden sich ganz schön aufregen, wenn dein einfacher Fähnrich eine eigene Koje bekommt und sie keine Ahnung haben, warum. Aber sie werden es schlucken müssen.«
»Wenigstens diese eine Schwierigkeit kann ich aus dem Weg räumen«, sagte Laurence und schüttelte Rileys Hand, ehe er sich von der Schiffsbarkasse wieder zurück ans Ufer bringen ließ.
Er fand Roland damit beschäftigt, mit zornigen Strichen Teile von Temeraires Ledergeschirr zu ölen, das in Ermangelung einer Bodentruppe arg vernachlässigt worden war. Als sie Laurence sah, sprang sie auf. »Nein«, wiegelte Laurence ungefragt ab, »ich habe mir die Sache nicht anders überlegt. Allerdings habe ich nun einer anderen Pflicht nachzukommen, und ich denke, Sie werden dieses Mal keinerlei Einwände erheben. Sie sind jetzt lange genug im Dienst und werden hiermit zum Oberfähnrich befördert.«
Diese Verkündigung besänftigte Roland ein wenig, aber sie fragte voller Hoffnung: »Als Oberfähnrich werde ich doch bestimmt keine Anstandsdame brauchen, Sir. Und außerdem: Wollen Sie etwa jemanden einstellen, ohne sich vorher mit Mutter beraten zu haben?«
Eine solche Erinnerung war ebenso unnötig wie unwillkommen. Laurence war sich ärgerlicherweise sehr wohl bewusst, dass nicht unbedingt davon auszugehen war, Jane würde die Beauftragung einer Anstandsdame billigen. Ganz sicher hatte sie selbst nie von einer solchen Aufsicht profitiert und würde vermutlich schon den bloßen Gedanken daran als absurd abtun. Aber ganz bestimmt würde sie es auch nicht gutheißen, wenn Emily Ziel unerwünschter Aufmerksamkeiten bliebe, die sie nicht länger durch geschicktes Verstecken ihrer Weiblichkeit vermeiden konnte. Und noch viel weniger erfreut dürfte Jane bei der Vorstellung sein, dass sich Emily in ihrem jungen Alter schon dauerhaft binden könnte.
»Wenn wir zurück in England sind und Ihre Mutter wieder für Sie verantwortlich ist, steht es Ihnen selbstredend frei, auf eine ständige Begleitung zu verzichten«, sagte er. »Bis dahin muss ich mir eingestehen, dass ich allein keine ausreichende Aufsicht mehr gewährleisten kann.« Verzweifelt darum bemüht, Roland die Sache schmackhaft zu machen, fügte er hinzu: »Haben Sie sich denn nie danach gesehnt, eine
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