Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachengold: Roman (German Edition)

Drachengold: Roman (German Edition)

Titel: Drachengold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
Vom Netzwerk:
Laurence und Ferris dem sehr bleich gewordenen Granby beim Aufstehen geholfen hatten, hing sein Arm noch immer reglos seitlich herunter.
    »Granby, Granby!«, kreischte Iskierka, beugte sich über das Geländer des Drachendecks und griff nach dem Hauptmast, um sich abzustützen, während sie versuchte, zu ihnen zu gelangen. In wenigen Momenten würde sie sich ihren Weg durch die Takelage gebahnt haben.
    Ferris rief ihr zu: »Ich hole ihn, Iskierka! Nicht nach ihm greifen, sonst wird sein Arm nur noch schlimmer!«, woraufhin sich der Drache, ängstlich Dampf ausstoßend, wieder zurücksinken ließ. Laurence nickte Ferris zu, der sich Granbys anderen Arm über die Schultern legte und ihn auf seinem Weg übers Deck stützte.
    Im Wasser war keine Spur der anderen Männer mehr zu entdecken; überall ums Schiff herum war vom aufgewühlten Meer nur noch die Gischt zu sehen. Jetzt waren in der Takelage keine Freudenschreie mehr zu hören. Stattdessen waren alle Schiffsoffiziere und ihre Marinesoldaten erwacht und an Deck gekommen, und Riley schrie vom Heck aus Befehle. Sein Steward Carver stand mit einem Halstuch hinter ihm, das im Wind wie ein weißes Banner flatterte. Immer wieder unternahm Carver den Versuch, mit einem Satz bei Riley zu sein und ihm das Tuch um den Hals zu knoten, obwohl dieser ihn mit ungeduldigen Handbewegungen zu verscheuchen suchte.
    »Laurence, alles in Ordnung?«, rief Temeraire, und er klang kaum weniger besorgt als Iskierka. Laurence wischte sich über die tränenden Augen. Noch immer stieg Rauch vom schwelenden Feuer unter Deck zu ihnen herauf, und Riley schickte diejenigen Männer, die noch klar genug waren, in Gruppen unter der Leitung eines Offiziers mit Eimern und Kübeln hinunter. Er brauchte jetzt dringend jede Hilfe, die er bekommen konnte.
    »Mir geht es gut«, antwortete Laurence. »Bitte flieg mit den Männern in deinem Bauchnetz los und tunke sie ein halbes Dutzend Mal in den Ozean. Wir werden ja sehen, ob sie danach nüchtern genug sind, um sich nützlich zu machen.«
    Dann jedoch blickte er plötzlich von unten auf die Allegiance , als sähe er durch ein altes Glas, das grünlich angelaufen und voller Sprünge war, während hinter dem Schiff die Sonne unterging. Wie gebannt schaute er zu, wie sich der Drachentransporter immer weiter entfernte und dunkler wurde, und wie die roten und goldenen Farbtupfer von Schwarz verschluckt wurden. Er fühlte sich merkwürdig leicht und befreit, als würde er fliegen, nur dass er keinen Wind spürte.
    Endlich stieß sein Kopf wieder durch die Wasseroberfläche, die Sonne über ihm schmerzte in seinen Augen. Sein Mund war voller Salzwasser, und er würgte, dann erbrach er weiteres Wasser auf die Wellen und krallte sich blindlings dort fest, wohin Demane seine Hand geführt hatte – an ein Stück Treibholz, eine Deckplanke, die noch immer heiß war und an einer Kante qualmte.
    Das war kein Sonnenuntergang gewesen. Die Allegiance war am Heck aufgerissen: Vom Kanonendeck bis zur Wasserkante starrte ihnen ein offener Schlund entgegen, gefüllt mit zerborstenem Holz und Flammen, und alle Segel des Schiffes brannten lichterloh.
    »O mein Gott«, entfuhr es Laurence, und seine Stimme war ein heiseres Krächzen.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Demane, der neben ihm ebenfalls um Atem rang und die Planke umklammerte, die auf den Wellen auf und ab hüpfte.
    Wieder wurde die Allegiance von einem plötzlichen Donnern und Beben erfasst, und aus dem Inneren schossen neue Flammen hervor. Laurence drückte Demanes Kopf gewaltsam auf das Holz und zog seinen eigenen ein. Augenblicklich regneten Splitter und Asche auf sie herab und brannten auf ihrer Haut.
    Die Wolke lichtete sich wieder. »Aber …«, setzte Demane an. »Aber …« Er brach ab. Laurence hob den Blick. Die Feuer im Schiffsbauch waren erloschen, als das Wasser durch das zerborstene Schanzkleid eingedrungen war. Dann legte sich die Allegiance schräg, und das fächerförmige Drachendeck schob sich in die Höhe. Die Drachen kreisten in der Luft wie Raben, die einem großen Tier beim Sterben zusehen.
    Und dann begann das Schiff, langsam in den Wellen zu versinken.

4
    Temeraire begriff zunächst nicht richtig, was geschehen war. Gerade war er noch ganz gemächlich knapp über der Wasseroberfläche geflogen und hatte die betrunkenen Seeleute trotz ihres lauten Protestgeschreis ins Wasser getaucht, und dann hatte es urplötzlich ein ohrenbetäubendes Donnern gegeben, und überall war Feuer gewesen –

Weitere Kostenlose Bücher