Drachengold
imstande wäre, wenn ich es mir anders überlegen sollte, da ich ja bislang nur vielleicht zehn Wörter in ihrer Sprache beherrsche und im Laufe des nächsten Jahres ganz sicherlich keinen einzigen vollständigen Satz herausbringen werde.«
»Kapitän Granby bittet Ihre Majestät um Verzeihung«, sagte Hammond, »dass seine mangelnden Sprachkenntnisse verhindern, höchstselbst zum Ausdruck zu bringen, welche Ehre Sie ihm mit dieser Einladung haben angedeihen lassen. Er bittet mich, Ihrer Majestät auszurichten â¦Â«
In dieser völlig verlogenen Art und Weise ging es weiter, und Anahuarque schien gut zu gefallen, was sie da hörte. Temeraire wandte den Blick ab und beobachtete währenddessen den Verkehr der Drachen, die über den groÃen Stufenterrassen und den hohen Dächern der Stadt hin und her flogen. Vom Ort der Zeremonie aus hatte er eine Aussicht, die selbst dann, wenn sie weniger ausgezeichnet gewesen wäre, ihn immer noch von dem Elend abgelenkt hätte, das vor ihm seinen Lauf nahm. Interessanterweise näherten sich von Süden her drei Drachen, von denen zwei mit groÃen, beeindruckend hinterherflatternden Fahnen ausgestattet waren.
Temeraire setzte sich mit einem Ruck auf. Die Banner waren Trikoloren, und der Drache in der Mitte war weiÃ. »Laurence!«, rief er und unterbrach damit Hammond. »Laurence, Lien kommt. Und das da neben ihr sind zwei Flammes-de-Gloire.«
13
Natürlich war es nicht seine Schuld gewesen, aber Temeraire musste sich eingestehen, dass seine Ankündigung die Zeremonie unwiderruflich gesprengt hatte. Die Drachen des Inka-Hofes setzten sich auf ihre Hinterläufe und beobachteten wachsam die näher kommenden Drachen â Hammonds Versuchen, seine Rede fortzusetzen, schenkten sie dagegen keinerlei Beachtung mehr. Maila hatte sich sogar auf die Hinterbeine gestellt und eine Vorderklaue auf dem Podium der Herrscherin abgestützt, als rechne er damit, sie jederzeit greifen und mit ihr flüchten zu müssen.
Temeraire konnte sehen, wie Geneviève von der Halle aus, in der die Franzosen untergebracht waren, aufstieg, gefolgt von Piccolo und Ardenteuse, um der anrückenden fremden Gruppe entgegenzufliegen. Und dann kreisten alle sechs Drachen zusammen über ihren Köpfen und kamen einer nach dem anderen auf den königlichen Platz herunter. Piccolo drängelte sich unverschämt gegen Kulingiles Schulter, um Platz zu schaffen, damit Lien landen konnte.
Sie bot einen prächtigen Anblick, wie Temeraire unwillig feststellen musste. Abgesehen von dem riesigen Diamanten auf ihrer Brust, der das Licht der Lampen einfing, trug sie auÃerdem eine Art Handschuhe an beiden Vorderbeinen. Darüber glänzten mit Rubinen besetzte Krallenscheiden, zusammen mit breiten Manschetten aus zarten Silberketten mit eingelassenen Edelsteinen, die ihrerseits an einem weiteren Paar Manschetten über ihrem Kniegelenk befestigt waren, welche mit Saphiren besetzt waren, sodass Lien sogar auf ihrem Körper die Farben der Trikolore zur Schau stellte. Ansonsten trug sie kein Geschirr, und es war nur ein einziger Reiter zu sehen.
Die französischen Drachen neigten die Köpfe tief, und die Männer auf ihren Rücken nahmen ihre Hüte ab. De Guignes rutschte von Geneviève herunter und kniete nieder, als Napoleon von Liens Rücken abstieg. Mühelos trat er dazu in ihre dargebotene Vorderklaue und lieà sich von ihr vorsichtig auf dem Boden absetzen.
Napoleon packte De Guignes an den Schultern und drängte ihn, sich wieder zu erheben, dann küsste er ihn auf beide Wangen und sagte auf Französisch: »Mein bester Abgesandter! Sie dürfen es mir nicht verübeln, dass ich persönlich gekommen bin, ebenso wenig wie meine tapferen Heerführer, wenn ich sie auf dem Schlachtfeld besuche. Es gibt Kämpfe, die muss ein Mann selbst gewinnen. Ist dies die Herrscherin?« Und als De Guignes bestätigend nickte, fuhr Napoleon fort: »Sagen Sie ihr, mein Freund, dass ich nun höchstselbst hier bin. Ich habe kein Wagnis gescheut, um ihr zu verdeutlichen, welche Ehre ich und Frankreich ihr angedeihen lassen werden, wenn sie denn mit uns kommen will, um unseren Thron zu zieren.«
Auch wenn die Drachen der Inka das Eindringen der französischen Gruppe und Napoleons Missachtung ihres Protokolls ganz offensichtlich missbilligten, schienen sie von seiner unglaublichen Unverfrorenheit beeindruckt.
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