Drachengold
antwortete auf seine Rufe. »Laurence!«, brüllte er noch einmal. Voller Verzweiflung umflog er das Schiff; ringsum trieben Männer im Wasser, aber es war sehr schwer, sie genauer zu erkennen, denn ihre Köpfe unterschieden sich aus der Höhe kaum von Fässern, und sie reagierten auch nicht auf sein Schreien. Warum, warum nur hatte Temeraire das Schiff ohne Laurence verlassen? Er hatte sich doch nur für ein paar Augenblicke entfernen wollen, und es war auch gar kein Feind in Sicht gewesen â was sollte denn der Grund dafür sein, dass das Schiff einfach so aufplatzte?
Er riss den Kopf herum, als er aus den Augenwinkeln etwas aufblitzen sah, und als er genauer hinblickte, entdeckte er Roland â Roland, die ihm mit wilden Bewegungen vom Rande des Drachendecks aus zuwinkte. Sie reckte eine seiner Krallenscheiden in die Luft, damit sich das Sonnenlicht auf dem polierten Gold widerspiegelte und ihn so auf sie aufmerksam machte, während sie selber unter einer Persenning Schutz gesucht hatte. Temeraire stürzte sofort hinunter und packte sie, und da er nun schon mal dabei war, griff er sich auch noch gleich den kleinen Gerry und Sipho. Er hätte keinen von ihnen jemals aus den Augen lassen sollen.
»Wo ist Laurence?«, fragte er. »Ja, ja, ich sehe dich ja«, fügte er ungeduldig hinzu und hob auch Cavendish in die Luft, der ebenfalls wie von Sinnen mit den Armen gewedelt hatte, um von Deck geholt zu werden. Bei ihm handelte es sich um einen Fähnrich von sechzehn Jahren, den Laurence aus unerfindlichen Gründen für seine Mannschaft ausgewählt hatte. Allerdings: Wer interessierte sich schon für diesen Burschen?
»Ich kann den Kapitän nicht entdecken«, sagte Roland und befestigte ihre Karabinerhaken am Geschirr, ehe sie Gerry bei seinen Sicherungsleinen behilflich war. »Hört auf zu jammern, ihr verdammtes, besoffenes Gesocks«, schrie sie die Männer an, die in Temeraires Bauchnetz ordentlich Radau machten, als sie an ihnen vorbei höherkletterte. »Ansonsten werde ich Temeraire bitten, das Netz einfach abzureiÃen, und dann: Auf Nimmerwiedersehen!« Temeraire hatte die Existenz der Männer bereits völlig vergessen gehabt. »Temeraire, flieg doch bitte weiter in Kreisen, ganz langsam, dann können wir alle nach Laurence Ausschau halten und ⦠und nach Demane.« Kulingile war schon angsterfüllt dabei, das Schiff zu umkreisen und nach seinem Kapitän zu rufen.
Iskierka kam zurück, um beim Suchen zu helfen. Auf ihrem Rücken festgeschnallt saà Granby â natürlich hatte sie ihren Kapitän nicht verloren. AuÃerdem hatte sie Ferris an Bord, obwohl Ferris zu Temeraires Besatzung gehörte. Temeraire konnte nicht ernsthaft entrüstet darüber sein, denn er hatte in diesem Moment einfach keine Zeit für solche kleingeistigen Gefühle.
Mit schwacher Stimme piepste Gerry auf seinem Rücken: »Da, ich sehe ihn! Ich sehe Demane und auch den Kapitän!« Sofort schoss Temeraire hinab und riss die beiden aus dem Wasser, und zwar mitsamt dem Stück Holz, das erschreckend klein war, wenn man bedachte, dass dies als ihre einzige Rettung gedient hatte.
»Gib ihn mir!«, verlangte Kulingile, der Temeraire unmittelbar auf den Fersen war und ihn besorgt umflatterte. »Demane, geht es dir gut?«
»Er ist zu durchfroren, um zu sprechen«, sagte Laurence â jedenfalls schienen diese Worte aus seinem Mund zu kommen. Allerdings klang seine Stimme überhaupt nicht nach ihm, sondern war heiser und krächzend und auÃerdem ein wenig abgehackt. »Du musst warten, bis ihm wieder etwas wärmer ist.«
»Ich habe hier ein Stück Ãlhaut, Sir, wenn Sie ihn damit einwickeln wollen«, sagte Roland und streckte die Arme aus, um Laurence und Demane dabei zu helfen, aus Temeraires Klaue heraus auf dessen Schultern zu klettern. »Ich schätze, wir könnten auch noch einen Teil unserer Ausrüstung vom Drachendeck bergen, ehe das Schiff untergeht. Das meiste davon war festgebunden.«
Temeraire wunderte sich zunächst, was Roland meinen könnte, bis er einen Blick zurück zum Schiff warf. Das Wasser schoss durch das offene Loch hinein, und die Allegiance schob sich langsam und geradezu anmutig unter die Wasseroberfläche.
»Oh!«, sagte er. »Aber wie sollen wir denn das Schiff nun noch retten?«
»Dafür gibt es jetzt keine Hoffnung mehr«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher