Drachengold
Allegiance , als sähe er durch ein altes Glas, das grünlich angelaufen und voller Sprünge war, während hinter dem Schiff die Sonne unterging. Wie gebannt schaute er zu, wie sich der Drachentransporter immer weiter entfernte und dunkler wurde, und wie die roten und goldenen Farbtupfer von Schwarz verschluckt wurden. Er fühlte sich merkwürdig leicht und befreit, als würde er fliegen, nur dass er keinen Wind spürte.
Endlich stieà sein Kopf wieder durch die Wasseroberfläche, die Sonne über ihm schmerzte in seinen Augen. Sein Mund war voller Salzwasser, und er würgte, dann erbrach er weiteres Wasser auf die Wellen und krallte sich blindlings dort fest, wohin Demane seine Hand geführt hatte â an ein Stück Treibholz, eine Deckplanke, die noch immer heià war und an einer Kante qualmte.
Das war kein Sonnenuntergang gewesen. Die Allegiance war am Heck aufgerissen: Vom Kanonendeck bis zur Wasserkante starrte ihnen ein offener Schlund entgegen, gefüllt mit zerborstenem Holz und Flammen, und alle Segel des Schiffes brannten lichterloh.
»O mein Gott«, entfuhr es Laurence, und seine Stimme war ein heiseres Krächzen.
»Was ist denn passiert?«, fragte Demane, der neben ihm ebenfalls um Atem rang und die Planke umklammerte, die auf den Wellen auf und ab hüpfte.
Wieder wurde die Allegiance von einem plötzlichen Donnern und Beben erfasst, und aus dem Inneren schossen neue Flammen hervor. Laurence drückte Demanes Kopf gewaltsam auf das Holz und zog seinen eigenen ein. Augenblicklich regneten Splitter und Asche auf sie herab und brannten auf ihrer Haut.
Die Wolke lichtete sich wieder. »Aber â¦Â«, setzte Demane an. »Aber â¦Â« Er brach ab. Laurence hob den Blick. Die Feuer im Schiffsbauch waren erloschen, als das Wasser durch das zerborstene Schanzkleid eingedrungen war. Dann legte sich die Allegiance schräg, und das fächerförmige Drachendeck schob sich in die Höhe. Die Drachen kreisten in der Luft wie Raben, die einem groÃen Tier beim Sterben zusehen.
Und dann begann das Schiff, langsam in den Wellen zu versinken.
4
Temeraire begriff zunächst nicht richtig, was geschehen war. Gerade war er noch ganz gemächlich knapp über der Wasseroberfläche geflogen und hatte die betrunkenen Seeleute trotz ihres lauten Protestgeschreis ins Wasser getaucht, und dann hatte es urplötzlich ein ohrenbetäubendes Donnern gegeben, und überall war Feuer gewesen â und zwar tausend Mal schlimmer, als wenn das alles von Iskierka ausgegangen wäre. Brennende Fetzen von Segeltuch und Holzstücke regneten rings um ihn hernieder, und als er höher in die Luft stieg, sah er die Flammen, die an Deck loderten.
»Ist das eine Schlacht?«, fragte Kulingile in höchster Aufregung und schoss über Temeraire hinweg, sodass diesem das Wasser von den Männern in Kulingiles Bauchnetz auf den Rücken tropfte. »Kommen wir jetzt endlich zu einer Prise?«
»Nun ja, ich schätze, wir sind tatsächlich angegriffen worden, aber ich sehe überhaupt kein anderes Schiff«, antwortete Temeraire, der selbst völlig verwirrt war, und umflog die Allegiance . Erst da entdeckte er das riesige, klaffende Loch im Schiff. Es war sehr seltsam, den Rumpf auf diese Weise aufgerissen zu sehen und sich all die Decks nun von der Seite anschauen zu können. Die schweren hellen Hängematten baumelten schwankend von den Deckensparren und erinnerten Temeraire an eine Zeichnung, die er mal gesehen hatte, von Seidenraupen und ihren Kokons. Die Kanonen rutschten aus dem Schiffsinnern und stürzten mit explosionsartigem Platschen ins Meer. Ãberall schwammen Fässer und Heuballen, und die Schafe, die ihrem Pferch entkommen waren, paddelten mähend von der Allegiance weg. Bei vielen von ihnen hatte die Wolle Feuer gefangen.
»Oh!«, bemerkte Kulingile interessiert.
»Ich bin mir ganz sicher, dass wir sie im Moment nicht essen sollten«, sagte Temeraire. »Das ist wohl nicht der richtige Zeitpunkt für Nahrungsaufnahme. Und wo ist Laurence?«, fügte er hinzu und hob wieder den Blick. Das Deck war mit Teilen der Takelage und geborstenen Rahen übersät, die Strickleitern standen in Flammen und waren in Rauch gehüllt, und überall lagen reglose und blutüberströmte Körper unbeachtet herum. Temeraire konnte weder Laurence noch sonst irgendjemanden von seiner Mannschaft entdecken, und niemand
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