Drachengold
majestätisch über den nächsten Wellenkamm schob, verlieà das stupsnasige Eisenmonster seine Position und kam schlingernd und in schwer zu erkennender Richtung auf Laurence und Granby zu; die Räder des Geschützwagens rollten mit abgrundtief dumpfem Geräusch über das Deck.
Granby versuchte gerade, einige der Männer in die Reichweite der Drachen zu führen: den Schiffszimmermann und drei seiner Gesellen â reichlich betrunken â, die ausladend hin und her schwankten und nur mit der Ãbung der langjährigen Seeleute das Gleichgewicht halten konnten; sie stolperten Arm in Arm voran und hatten vom ausgelassenen Lachen bereits einen Schluckauf. Die Kanone traf sie von der Seite an den Hüften, sodass sie über das Rohr kippten und darauf liegen blieben. Auf ihren Gesichtern lag eher ein überraschter als ein beunruhigter Ausdruck, als das ganze Geschütz mit ihnen weiterrollte.
Laurence blieb gerade noch Zeit, Granby am Arm zu packen, und schon wurde er gemeinsam mit ihm von dem unerbittlichen Gewicht mitgeschleift: Eine Ecke von Granbys Mantel war von einem abgebrochenen Ring, der die Lafette freigegeben hatte, aufgespieÃt worden. Nun rutschte Laurence an Granbys Arm hinter der Kanone her übers Deck, bis es ihm gelang, seine Stiefelabsätze gegen die Reling zu stemmen, sodass er mit einem Ruck zum Halten kam. Die Kanone jedoch rammte mühelos durch das Eichenholz und ging über Bord, mit ihr die Zimmerleute, die schlieÃlich doch noch voller Angst brüllten, als sie hinabstürzten. Auch Granby entfuhr ein entsetzter Aufschrei, und sein Arm fühlte sich mit einem Mal seltsam schlaff in Laurenceâ Griff an.
Die feine Seide glitt durch Laurenceâ Finger, und die Stickereien schabten über seine rauen, schwieligen Hände. Die Sonne brannte in seinen Augen und schimmerte auf dem Goldbrokat. Granby hatte die Kiefer fest zusammengebissen, aber seine Hand erwiderte den Griff nicht, und sein Körper rutschte langsam über die Kante. Mit einem Sprung war Ferris bei ihm und lieà sich, mit einem Messer in der Hand, auf die Knie fallen. Die Klinge stieà er in das Rückenteil von Granbys Mantel, riss sie wieder nach oben und durchtrennte auf diese Weise den Stoff.
Laurence stolperte mitsamt Granby rückwärts ⦠Als Laurence und Ferris dem sehr bleich gewordenen Granby beim Aufstehen geholfen hatten, hing sein Arm noch immer reglos seitlich herunter.
»Granby, Granby!«, kreischte Iskierka, beugte sich über das Geländer des Drachendecks und griff nach dem Hauptmast, um sich abzustützen, während sie versuchte, zu ihnen zu gelangen. In wenigen Momenten würde sie sich ihren Weg durch die Takelage gebahnt haben.
Ferris rief ihr zu: »Ich hole ihn, Iskierka! Nicht nach ihm greifen, sonst wird sein Arm nur noch schlimmer!«, woraufhin sich der Drache, ängstlich Dampf ausstoÃend, wieder zurücksinken lieÃ. Laurence nickte Ferris zu, der sich Granbys anderen Arm über die Schultern legte und ihn auf seinem Weg übers Deck stützte.
Im Wasser war keine Spur der anderen Männer mehr zu entdecken; überall ums Schiff herum war vom aufgewühlten Meer nur noch die Gischt zu sehen. Jetzt waren in der Takelage keine Freudenschreie mehr zu hören. Stattdessen waren alle Schiffsoffiziere und ihre Marinesoldaten erwacht und an Deck gekommen, und Riley schrie vom Heck aus Befehle. Sein Steward Carver stand mit einem Halstuch hinter ihm, das im Wind wie ein weiÃes Banner flatterte. Immer wieder unternahm Carver den Versuch, mit einem Satz bei Riley zu sein und ihm das Tuch um den Hals zu knoten, obwohl dieser ihn mit ungeduldigen Handbewegungen zu verscheuchen suchte.
»Laurence, alles in Ordnung?«, rief Temeraire, und er klang kaum weniger besorgt als Iskierka. Laurence wischte sich über die tränenden Augen. Noch immer stieg Rauch vom schwelenden Feuer unter Deck zu ihnen herauf, und Riley schickte diejenigen Männer, die noch klar genug waren, in Gruppen unter der Leitung eines Offiziers mit Eimern und Kübeln hinunter. Er brauchte jetzt dringend jede Hilfe, die er bekommen konnte.
»Mir geht es gut«, antwortete Laurence. »Bitte flieg mit den Männern in deinem Bauchnetz los und tunke sie ein halbes Dutzend Mal in den Ozean. Wir werden ja sehen, ob sie danach nüchtern genug sind, um sich nützlich zu machen.«
Dann jedoch blickte er plötzlich von unten auf die
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