Drachengold
fiel darauf keine Antwort ein. Trotz der Trennung, die das übliche Schicksal eines Marineoffiziers und seiner Familie war, hatte er nicht das Gefühl, dass die Umstände vergleichbar waren. In diesem Fall konnte man sich immer sicher sein, dass nur der eine Teil des Ehepaares an Bord ging. Der andere blieb zurück und machte das Heim zu einem wahren Zuhause. Eine Korrespondenz lieà sich mehr oder minder zuverlässig aufrechterhalten, und eine Gattin konnte gut und gerne darauf vertrauen, dass ihr Ehemann über längere Zeiträume auch mal bei ihr an Land blieb, selbst wenn er dann wieder Jahre am Stück fort war.
Flieger hingegen konnten nicht auf solche Aufenthalte am heimischen Herd hoffen, denn Drachen kamen nicht ins Trockendock. Und Roland hatte recht: Kulingile würde wohl kaum nur zur Verteidigung eingesetzt werden, so wie Laurence die Sache beurteilte. Nicht nur, dass er den Vorteil des beeindruckenden Gewichts auf seiner Seite hatte, hinzu kamen die bösartigen Klauen, die er von seinen parnassianischen Vorvätern geerbt hatte, ebenso wie der stachelbesetzte Schwanz vonseiten des Bunten Greifers. Irgendwann würde er bestimmt seine eigene Formation bekommen, wenn die Admiralität sich erst mal an Demane als Kapitän gewöhnt hatte. Die Aussichten darauf, dass diese Formation am Kanal eingesetzt würde, waren Laurenceâ Schätzungen zufolge relativ gering.
»Es gibt überhaupt keine Chancen«, sagte Roland verzweifelt. »Sie werden ihn in Gibraltar stationieren wollen. Ich habe gehört, dass Laetificat seit der Krankheit nie wieder ihr altes Gewicht zurückerlangt hat, und ganz sicher zieht sie sich bald ins Zuchtgehege zurück. Sie hält nur noch durch, bis die Züchter einen anderen Königskupfer über zwanzig Tonnen zur Verfügung stellen können.«
Der Weg war nun frei: Roland richtete sich wieder auf und schritt voran, um den anderen zu zeigen, wo es durch einen Vorhang von Schlingpflanzen weiterging, aber sie lief mit hängenden Schultern.
Schon bald erreichten sie eine Lichtung, in der ein fettes Nagetier, einem Iltis ähnlich, in einer Seilfalle hing: Das war Demanes Werk vom Vortag, das unter dem Eindruck der darauf folgenden Entdeckung vollkommen in Vergessenheit geraten war. Niemand hatte etwas gegen einen Bissen einzuwenden, und so wurde das Tier abgeschnitten und mitgenommen. Das Rauschen der Brandung, das die meiste Zeit über vom Dschungeldickicht gedämpft worden war, wurde nun immer lauter, je weiter sie vordrangen. Sie kamen an einem wenig einladenden, steinigen Ufer heraus, das sich bis zu einem undurchdringlich aussehenden Gewirr aus Schlingpflanzen erstreckte, welches alles Dahinterliegende so gründlich verborgen hielt, dass sich Laurence beim besten Willen nicht vorstellen konnte, was Roland und Demane dazu bewogen haben mochte, ihre Erkundung weiter fortzusetzen.
»Da«, sagte Roland und deutete auf eine kleine Kuhle im Sand, wo die Sonne unbarmherzig auf einige abgenagte, glänzend weiÃe Knochen schien. Laurence und die anderen kletterten über die Felsen und beugten sich über das zerfallene, in Fetzen gehüllte Skelett, an dem sich die Vögel gütlich getan hatten, sodass inzwischen beinahe alle Finger und Zehen fehlten. Der Schädel und ein Oberschenkelknochen lehnten gegen einen Felsen, auf dem voller Fehler die folgenden Worte eingeritzt waren: Hier liegen Bessey und George, gute Schiffskameraden, Gott sei ihnen gnädig .
»Gut gesagt«, murmelte der alte Jergens, einer der Männer, die Forthing ausgewählt hatte. Das leise, vorwurfsvoll klagende Gemurmel der Seeleute verstummte, als sie an dem Toten vorbeikletterten und die Hängepflanzen anhoben, sodass ein verrottendes Schiffswrack zum Vorschein kam, in dessen Rumpf ein groÃes, offenbar von einem Felsen gerissenes Loch mit ausgefransten Rändern prangte.
Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit war dies ein Piratenschiff gewesen. Als Laurence und die Männer das Gestrüpp abgerissen hatten und ein wenig Licht in den Frachtraum fiel, stapfte Laurence durch das knöcheltiefe Wasser und die Ãberreste der zusammengetragenen Beute: Augen von Waltran schwammen auf dem Wasser in alten Fässern, und aufgeplatzte Truhen voller Seide waren zu sehen, die ganz sicher einem unglückseligen Ostindienfahrer abgenommen worden waren. Laurence schenkte dem heimlichen Stochern der vorsichtig hinter ihm
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