DrachenHatz
seltsam, überlegte ich, nachdem ich mich endgültig von Almuth verabschiedet hatte und zum Auto zurücktrottete. Die ganze Zeit über war es um dieses Teil gegangen, um den schnöden Mammon letztlich – und Greta hatte die Anrufe und was noch folgte immer nur vor ihrem aktuellen Hintergrund betrachten können und mich so zumindest zeitweise, ohne es zu wollen, in die falsche Richtung gelenkt. Haukes Tod war unbestritten entsetzlich und dadurch im allgemeinen Bewusstsein dermaßen präsent, dass sich einfach alles um ihn drehen musste. Doch darum war es hier nie gegangen, wie man nun sah.
Ob ich Greta von meinem Besuch bei Arthur Bebensee und seiner Verhaftung in Kenntnis setzen sollte? Nein, beschloss ich spontan, sie würde es auch so bald erfahren, und außerdem wusste ich genau, dass sie mir keinesfalls dankbar sein würde. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sie sich sogar empört zeigen, mir die Schuld an allem geben, Arthur verteidigen und bestimmt einen Dreh finden, um sich schwuppdiwupp aller Welt wieder einmal als bemitleidenswerte verfolgte Unschuld zu präsentieren. In ihrem Kopf kreiste schließlich nach wie vor alles um die Aufmerksamkeit, die man ihr entgegenbrachte. Das war ihr Leben, und andere Menschen waren ihr herzlich gleichgültig. Und genau aus diesem Grund blieb Greta Gallwitz eine Gefahr für ihre Umwelt. Denn wenn sich die Situation änderte und sich wieder jemand in ihrer Reichweite befände, an dem sie sich austoben könnte – würde der Zirkus erneut beginnen. Ich tippte auf Thomas. Er mochte sie, sie appellierte herzerwärmend an seinen männlichen Beschützerinstinkt und machte bestimmt nicht den Fehler, die entzückende Sarah nicht entzückend zu finden oder sich auf Verbrecherjagd zu begeben, wenn er es lieber romantisch hätte. Dafür würde sie ihn und vielleicht auch Sarah heimlich, still und leise und vor allem langsam vergiften. Ihm vielleicht mit einem sonnigen Lächeln immer wieder zu Lachs, Lasagne, Reh oder Hühnchen giftiges Kreuzkraut servieren, das ein Laie nur schwer von Rucola unterscheiden kann. Doch das war nicht mehr mein Fall. Ich hatte ihn gewarnt.
Ich bog in den Weg zum Haupthaus ab und trat abrupt auf die Bremse. Im ersten Moment sah ich lediglich eine Ansammlung von blinkenden Lichtern. Dann erkannte ich einen Krankenwagen, der langsam wendete und auf mich zurollte, sowie ein Polizeifahrzeug, in dem sich einer der Beamten zu schaffen machte.
Marga! In ihrem Wahn hatte Greta meiner Freundin etwas angetan! Ich gab Gas, drängte den Krankenwagen dabei fast von der Straße, hielt mit quietschenden Reifen vor dem Haus, um anschließend schluchzend auf eine junge Frau in Uniform mit Pferdeschwanz und strengem Gesichtsausdruck zuzustolpern. »Was …«, stotterte ich aufgelöst, »wer …?«
»Sie können hier nicht durch. Hier findet eine polizeiliche Ermittlung statt.«
Dumme Kuh! »Das ist mir scheißegal!«, brüllte ich das Mädel an. »Aus dem Weg!« Sie rührte sich nicht, zuckte jedoch erschrocken zusammen, als ich wie eine Furie auf sie losging, um sie wahlweise zu schütteln wie einen alten Sack oder wegzuschubsen. Es ging um Marga, verdammt, und nicht um irgendwelche bornierten, kleinkarierten Vorschriften! »Lebt sie noch? Ist sie schwer verletzt? Was hat die Irre ihr angetan?«, heulte ich.
»Fred!«, schrie meine Gegnerin. »Hilf mir doch mal!«
Ein älterer Beamter mit auffallend glänzender Platte eilte herbei, nahm mich routiniert in einen Polizeigriff und sprach dabei besänftigend auf mich ein. »Na, na«, meinte er, »was soll das denn? Davon wird nichts besser, glauben Sie mir. Machen Sie uns und sich doch keinen Ärger.«
»Lebt sie denn noch?«, weinte ich, am ganzen Körper zitternd.
»Nein«, sagte er leise. »Es tut mir leid.«
Ich fühlte, wie mich sämtliche Energie verließ. Fred schien es ebenfalls zu spüren, denn er lockerte seinen Griff und führte mich fürsorglich zu der Bank, auf der Marga Wache gehalten hatte, als Harry und ich Gretas Wohnung einen Besuch abstatteten.
Ich setzte mich wie betäubt. Marga. Meine Freundin Marga, mit der ich so manchen Rotweinabend verbracht hatte, deren »Schätzelchen« ich nun nie mehr hören würde …
»… und jetzt ist sie bei ihm«, hörte ich in diesem Moment eine aufgeregte Stimme über mir aus dem geöffneten Fenster blubbern. »Der Mann hat schon mal gemordet! Tun Sie doch endlich etwas, und stehen Sie nicht herum wie ein Ölgötze!«
»Ganz ruhig. Mit Schreien kommen wir
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