DrachenHatz
für mich. »Und Sado-Maso-Züge tragen die Liebesschnulzen auch ganz eindeutig, wenn er sie um den Verstand küsst und sie pausenlos erschauert«, stellte er mit tiefster Befriedigung in der Stimme fest. »Passt auf, ich lese euch das mal vor.«
Draußen krähte schon wieder der Gockel! Ich hätte das blöde Vieh am liebsten umgehend in den Topf gestopft und in reichlich Kardamom, Knoblauch und Chili versenkt.
»Harry!« Das kam von mir. Doch ich hätte es mir sparen können. Wenn der Gierke sich etwas in den Kopf setzt, zieht er es durch. Wie eine außer Rand und Band geratene Dampfwalze, die alles plattmacht, was sich ihr in den Weg stellt. Oder wie ein Terrier, der einen unschuldigen Dachs verfolgt. Mittlerweile hege ich keinerlei Bewunderung mehr für diesen Wesenszug.
»… glitten seine Finger höher und zogen die Seide ihres Slips herab«, begann Harry auch schon genüsslich. »Camilla schob seine Hand beiseite. ›Nein, Richard, bitte nicht!‹«
Ich gab einen unartikulierten Laut von mir. Das durfte doch nicht wahr sein! Die hießen in dieser Geschichte doch nie im Leben Richard und Camilla! Hatte Harry jetzt komplett den Verstand verloren? War er vielleicht vor lauter Eifersucht auf den armen unschuldigen Thomas irre geworden? Das wäre zwar ganz schmeichelhaft, aber kaum vorstellbar, wenn ich ehrlich war.
»… mit Küssen brachte er sie zum Verstummen«, las Harry mit klebriger Stimme weiter. »Seine Hand kreiste über Schenkel und Unterleib, spielte mit ihrem Schamhaar, bis Fio– äh … Camillas letzte Widerstandskraft gebrochen war. Suchend tasteten seine Finger die verborgensten Stellen ihres Körpers ab. Sie glühte vor Verlangen.«
Ich würde ihn verprügeln. Ganz klar. Links und rechts und dann wie Bud Spencer eine Riesenkopfnuss von oben, um ihn unangespitzt in den Boden zu rammen. Danach würde es mir besser gehen. »Harry!«, knirschte ich wutentbrannt. Er hörte nicht.
»Aber er nahm sie nicht sofort, obwohl ihr Körper vor Verlangen schmerzte. Sie bog sich ihm entgegen, um ihn noch tiefer in sich aufzu–«
Es reichte. Und zwar absolut und endgültig. Ich sprang derart abrupt auf, dass mein Stuhl hinter mir auf die Fliesen krachte. »Hör zu, Gierke!«, explodierte ich. »Merkst du nicht, dass du der Einzige bist, der das witzig findet? Der Einzige, Harry, hörst du das, oder bist du etwa taub? Halt endlich den Mund, und wenn es dir hier nicht passt, steh auf, geh und lass uns allein. Wir kommen ohne dich allemal besser zurecht.«
Doch der Kerl blieb einfach sitzen und rührte sich nicht. Ich fasste es nicht.
»Und außerdem gehören Richard und Camilla mir, verstanden?«, schnauzte ich ihn an.
»Hanna«, versuchte Thomas mich besorgt zu bremsen, »das ist es doch nicht wert.«
»Halt du dich da raus, ja?«, fuhr ich ihn stocksauer an.
Er sank in seinem Stuhl zurück, und ich fixierte meinen Gegner erneut. »Von den beiden lässt du bitteschön die Finger. Das sind meine Geschöpfe, und sie leben und leiden in meiner Kuss- und Schlussliteratur und nirgendwo anders. Kriegst du das in dein winziges Hirn, Harry Gierke? Oder passt es nicht hinein?« Du lieber Himmel, ich hatte gar nicht gewusst, dass ich mich derart für meinen Dauer-Beau und seine Gespielin verantwortlich fühlte. Aber ich tat es, ohne Zweifel.
Auf Harrys Gesicht machte sich ein dreckiges Grinsen breit. »Du meinst, deine beiden Herzchen wissen noch nicht einmal, was Blümchensex ist, Hemlokk?«, fragte er mit watteweicher Stimme, die absolut jeden auf der Stelle zum Sieden brachte. »Camilla und ihr Richard glauben noch an den Storch? Und er tut nichts weiter, als ihr immer wieder schweinchenrosafarbene Rosen mitzubringen und sie dabei anzuglühen, bis sein Sack platzt? Na, die tun mir wirklich leid.«
Ehrlich, lediglich ein letzter Rest von Kultur, Sitte und Anstand hielten mich zurück. Sonst hätte ich Harry Gierke auf der Stelle mit meinem Brötchenmesser erstochen, ihn mit der Sektflasche erschlagen oder mit dem restlichen Lachs samt Soße erstickt.
»Kann ich dich einmal kurz sprechen, Hemlokk? Allein, wenn’s geht.« Harrys Stimme klang völlig ungerührt. Mein Gott, der Typ war kalt wie Eis.
»Nein«, schnaubte ich empört.
»Es ist wichtig.«
»Nein«, wiederholte ich, »oder willst du dich entschuldigen?«
»Nein.«
Wir starrten uns über den Tisch hinweg an. Ich bitterböse. Er nicht, was mich noch wütender werden ließ. Die drei anderen versuchten sich derweil im Neutrale-Miene-Spiel, was
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