DrachenHatz
alles später, in leicht verdaulichen Portionen. Stattdessen informierte ich ihn darüber, dass ich unaufhaltsam auf dem Weg zu einer erfolgreichen Privatdetektivin voranschritt, wie meine letzten Fälle glasklar bewiesen hatten. Und dass ich, last, but not least, allein lebte. In meiner Bokauer Villa, aber auch so.
Thomas hatte auf mein Geständnis ungemein unverkrampft reagiert. Zunächst hatte er einfach nur gelacht. Er fand das herrlich. Eine Liebesgeschichten-Autorin und Privatdetektivin! Und er zeigte sich heilfroh, dass ich keine zwischen Frankfurt, New York und Tokio hin- und herjettende Bankerin war, die ihren Liebsten am Neujahrstag in der Lounge eines Flughafens trifft, um mit ihm die Termine für den Rest des Jahres abzustimmen.
Daraufhin erzählte ich ihm prompt von Richard, wie ich meinen schmucken Hauptdarsteller mit dem kräftigen Schopf, den beeindruckenden Brustmuskeln, dem Humor sowie Intelligenz verratenden Gesichtsausdruck anfangs immer nenne, und Camilla, der grazilen, äußerst temperamentvollen Heroine, die zu Beginn ebenfalls immer so heißt, damit da ja nichts schiefgeht. Es kommt nämlich gar nicht gut, wenn sie anfangs auf den Namen Frauke hört und am Ende zu Nina mutiert, weil ich irgendwann dazwischen vom Mittagessen abgelenkt worden bin. Das irritiert und stimmt Leserinnen, Redakteure und meine Agentin auf Dauer unfroh. Und das kann ich mir im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten.
Thomas fand das alles einfach nur toll und hochinteressant und sagte mir das auch ohne Wenn und Aber. Eine derartige Reaktion war ich so gar nicht gewohnt, deshalb tat sie doppelt gut. Harry und Marga zum Beispiel stänkerten, was das Zeug hielt, wenn die Rede auf meine Schmalzheimer kam. Na ja, mittlerweile hielten sie sich mir zuliebe ein wenig zurück. Aber nur ein wenig.
Thomas selbst verdiente seine Brötchen als Ingenieur; Windkraftanlagen gehörten zu seinem Spezialgebiet, deshalb machte ihn die völlige Andersartigkeit meines Jobs tatsächlich neugierig.
Nach diesem Telefonat hatten Thomas und ich uns in Kiel getroffen – neutrales Gelände, denn aller Anfang ist bekanntlich schwer, wie meine Mutter zu sagen pflegt – und waren bei stetem Nieselregen, was uns zunächst gar nicht auffiel, am Hindenburgufer entlanggebummelt. Als ich jedoch meine Mütze auswringen konnte, hatten wir in einem Café Schutz gesucht. Über die Tassen hinweg hatte ich ihn minutenlang sowohl mit meinem grünen als auch mit meinem blauen Auge angestrahlt wie mit einem Paar Scheinwerfer. Die anschließende Frage »Zu mir oder zu dir?« erübrigte sich, weil Thomas bei Husum lebte und arbeitete.
Und er passte tatsächlich in mein Bett. Sowohl von der Breite als auch von der Länge her. Denn Thomas war kein Ein-Meter-Neunzig-Hüne mit einem Kreuz wie ein Sumo-Ringer, sondern ein ganz normaler mittelaltriger Mann mit Bauchansatz und Kräusellocken auf der Brust, von denen sich bereits zwei bis drei zu versilbern begannen. Mich störte das nicht die Bohne. Ich stehe nicht auf durchgestylte und komplett enthaarte Mittzwanziger, die zwar lecker anzusehen sind, aber doch irgendwie in ein Hochglanzmagazin gehören und nicht ins richtige Leben. Jedenfalls nicht in meins.
Tja, was soll ich sagen? Dies alles lag nun fünf Wochen zurück, und seitdem waren Thomas und ich zusammen. Ich koche bekanntlich gern und er auch. Er schätzt curryreiches Essen, ich bin nachweislich seit geraumer Zeit Mitglied der »Feuer und Flamme«-Gruppe, die es indisch und scharf liebt. Ich mag seine Lippen und teile seine Vorliebe für Hitchcock-Streifen sowie für die Olsenbande, jene dänischen Filme aus den Siebzigern, in denen eine grandiose Losertruppe unermüdlich versucht, an das große Geld heranzukommen und dabei immer wieder und mit schöner Regelmäßigkeit auf die Schnauze fällt. Außerdem sehe ich Thomas für mein Leben gern beim Essen zu. Dies tut der Mann hochkonzentriert, er mahlt, schmeckt, genießt, schnuppert, dass es eine Freude ist. Essen ist für ihn Tat, und ich finde das einfach umwerfend. Und schließlich schätze ich es sehr, dass er nicht launisch ist. So wie Harry.
Denn kaum hatten wir es uns nach dem kleinen Spaziergang über das Grundstück wieder in der WG-Küche am immer noch reichlich gedeckten Tisch gemütlich gemacht – ich gehöre zu den Gastgeberinnen, die die Angst, es könnte nicht reichen, vorher nächtelang umtreibt –, als er auch schon wieder anfing zu mäkeln. Dabei hatten wir zur Feier des Tages
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