Drachenjagd
unseren Gast angemessen begrüßen«, fuhr Aidan fort und wandte sich dem gelassen abwartenden Reiter zu. »Ich bin Aidan«, stellte er sich vor, »wir möchten dich herzlich in Schwarzholm willkommen heißen.« Er deutete eine Verbeugung an, in der Hoffnung, dass der Troll ihn verstand und entsprechend reagierte.
Zu Aidans Erleichterung schien er verstanden zu haben. Gelenkig schwang er sich von seinem Leviathan herab und ahmte die Verbeugung nach.
»Ich bin … «, setzte der Troll an, dann begann er zu würgen, als ob er jeden Moment seine Eingeweide erbrechen würde, das Ganze mündete in einem ungesund klingenden Husten. Der Troll schaute erwartungsvoll in die Runde.
»Geht es dir gut?«, fragte Aidan mit besorgter Miene.
»Natürlich, warum fragst du?«, sagte der Troll irritiert, dann schien er zu verstehen. »Das war mein Name«, fügte er hinzu und setzte an, den Namen zu wiederholen.
»Ähm ...«, unterbrach ihn Aidan eilig und schaute den Troll hilflos an, »ist es … äh … in Ordnung, wenn wir dich einfach Shakrath nennen?« Das war die einzige verständliche Silbe in den röchelnden Lauten gewesen, die aus der Kehle des Trolls gekrochen waren.
»Natürlich, Shakrath ist in Ordnung«, krächzte er mit kehliger Stimme. »Gibt es in diesem Nest ein kühles Bier für einen verdurstenden Reisenden?«
Das war der Punkt, an dem die Dorfbewohner endgültig die Waffen senkten. Wer nach einem Bier verlangte, konnte nicht gar so verkehrt sein. Sie hießen ihn freudig willkommen und führten ihn in die Schenke, wo der Wirt mit einer Runde seines frisch gezapften Gebräus auf sie wartete.
Wie sich – wenig überraschend – herausstellte, hatte der Trollmagier auf seinen Wanderungen durch das Elfenland von dem Drachen gehört und war ins Düstergebirge gereist, um sich die ausgesetzte Belohnung zu verdienen.
Aidan setzte sich zu dem schweigsamen Nordländer an den Tisch, der nie ein Wort zu sprechen schien, und verfolgte gespannt lauschend die Gespräche. Der Hüne neben ihm starrte grimmig vor sich hin, ohne der Aufregung um ihn herum die geringste Aufmerksamkeit zu zollen.
Aidan beobachtete amüsiert, wie der Troll erst das Bier austrank und dann mutig und ohne zu zögern die Spezialität des Hauses hinunterschlang. Anschließend rasselte Morten mit viel Theatralik die wohlbekannte Geschichte des Drachen herunter. Zwischenzeitlich war es spät geworden und die Taverne leerte sich stetig. Der Troll gähnte und mietete beim Wirt ein Zimmer, versorgte seinen Leviathan – was Aidans Gewissen einen schmerzlichen Stich versetzte - und legte sich schlafen.
Wenig später tat Aidan es ihm gleich.
Lange Zeit fand er keinen Schlaf, stattdessen wälzte er sich unruhig auf der stacheligen Strohmatratze hin und her. Sein Gewissen plagte ihn mit schweren Vorwürfen. Weshalb hatte er den Troll nicht gewarnt? Er hätte ausreichend Gelegenheit dafür gehabt, und doch hatte er es nicht getan. Warum? Tief in seinem Inneren wusste Aidan die Antwort, auch wenn er sie sich nicht eingestehen wollte. Die Wahrheit war, dass er viel zu sehr daran interessiert war, was geschehen würde, als dass er sich eingemischt hätte. Würde der Troll mehr Erfolg haben als seine Vorgänger, oder hatte der alte Morten recht und niemand konnte den Drachen besiegen?
Der folgende Tag würde die Gewissheit bringen.
Am nächsten Morgen war Aidan der Erste, der an die verschlossene Tür der Schenke klopfte und Einlass verlangte. Der Wirt schloss die Tür auf und ließ ihn mit einem hintergründigen Lächeln ein, wusste er doch nur zu gut, was in Aidan vorging.
Aidan setzte sich an einen Tisch und wartete auf das Frühstück, da sah er, wie der Troll die Treppe herunterstieg. Der Magier würgte das Essen in großen Happen runter, nickte Aidan wortlos zu und ritt auf seinem Leviathan davon.
Aidan blieb sitzen und zählte ungeduldig die Minuten. Bald würde der Troll die Höhle des Drachen erreichen, bald würde ein weiterer Zweikampf auf Leben und Tod entschieden. Wer würde an diesem Tag als Sieger hervorgehen?
Das Kreischen der Bestie war bis ins Dorf zu hören. Selbst auf diese Entfernung jagte es einen eisigen Schauder über Aidans Rücken. Er rannte hinaus auf dem Dorfplatz und richtete seine Augen auf den strahlend blauen Himmel. In der Ferne sah er die elegante Gestalt des Drachen, die sich tiefschwarz gegen die grell leuchtende Sonne abzeichnete. Der geflügelte Dämon stieg wiederholt auf, um kurz darauf wie ein Falke auf seine
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