Drachenjagd
wahre Gefühlsausbruch stand noch bevor. Aidan wusste es nicht.
Auf dem Weg zu seinem Haus sinnierte er darüber, wie viele Helden noch vorbeikommen mussten, bis alle Gebäude Schwarzholms wieder gefüllt waren und das Dorf wieder seine ursprüngliche Einwohnerzahl erreicht hatte. Dann schalt er sich einen Narren, der sich lieber Gedanken darüber machen sollte, wie der Drachen zu besiegen war, statt seine kostbare Zeit mit sinnlosen Gedankenspielen zu verschwenden.
Es war regelrecht zum Verzweifeln.
Bis zum heutigen Tage hatte niemand im Kampf gegen den Drachen eine Chance gehabt, soviel war sicher. Jeder Held, unabhängig ob Schwertkämpfer, Bogenschütze oder Magier, hatte bisher im Kampf gegen den Drachen versagt und war bestenfalls mit dem Leben davongekommen.
Viel interessanter war aber die Tatsache, dass niemand auf die Idee zu kommen schien, die Kräfte zu vereinen und den Drachen gemeinsam anzugreifen. Dieser Gedanke setzte sich in seinem Kopf fest und ließ Aidan fortan nicht mehr los. Er nahm sich vor, dies bei passender Gelegenheit anzusprechen, davor wollte er gründlich darüber nachdenken.
Auch in dieser Nacht fand Aidan keine Ruhe, ebenso wenig in den darauf folgenden Nächten.
Einigkeit macht stark ... oder?
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Kapitel 5
Im Laufe der Zeit wurden Bogothar und Aidan die besten Freunde. Lange bevor der mit seinem Schicksal hadernde Aidan sich mit dem Exil in Schwarzholm abgefunden hatte, klopfte der bärtige kleine Zwerg an seiner Tür und bot ihm seine Unterstützung an. Bogothar nahm Aidan mit auf seine ausgedehnten Wanderungen in die Berge, ständig auf der Suche nach dem passenden Ort für seinen Kräutergarten. Gemeinsam legten sie einen Garten auf einer geschützten Lichtung an, den sie wie einen kostbaren Schatz hegten und pflegten. Samen und Werkzeuge fanden sie in den alten Lagerstätten der Bauern, die Schwarzholm vor Jahren verlassen hatten. Viele der Samen waren verdorben, aber etliche spriessten in kürzester Zeit aus dem Boden. Sie pflanzten mehrere Kräuter, aus denen der Zwerg eine neue Tabakmischung kreieren wollte, aber auch essbare Pflanzen wie Salat, Tomaten und sogar ein kleines Feld mit Getreide. Die Lichtung war gut geschützt und selbst aus der Luft nur schwer zu sehen, außerdem bot sie für den Drachen nichts von Interesse, daher hofften sie, dass er ihre mühsam bearbeiteten Felder in Frieden lassen würde.
Besonders am Anfang war es für Aidan, der seit seiner frühesten Jugend nichts als das Kriegshandwerk erlernt hatte, schwer, sich an die einfache Feldarbeit zu gewöhnen. Aethalas, sein Vater, war ein berühmter Schwertmeister in der Garde der Elfenkönigin gewesen – was für einen Menschen eine äußerst seltene und besondere Ehre war - und er hatte seinen Sohn hervorragend ausgebildet. Hervorragend und rücksichtslos. Als andere Kinder fröhlich auf der Wiese herumtollten und unschuldige Spiele spielten, lernte Aidan in schweißtreibenden Übungsstunden Paraden, Ausfallschritte und Angriffsmuster auswendig. Als seine Freunde den ersten Kuss der Liebe erlebten, kannte er bereits zweiundvierzig Methoden, einen Feind zu töten.
Das war auch der Grund dafür, dass er noch vor seinem sechzehnten Geburtstag in einer mondlosen Nacht ein paar wenige Habseligkeiten einpackte und verschwand, ohne seiner Familie eine Nachricht zu hinterlassen.
Seit diesem Tag lebte er das unstete Leben eines gedungenen Söldners und Kopfgeldjägers. Seine Reise führte ihn quer durch die Elfenlande bis hinunter in den tiefsten Süden, überall dorthin, wo es gut bezahlte Arbeit gab. Es war in keinster Weise mit dem penibel geregelten und ehrenvollen Leben seines Vaters vergleichbar, aber Aidan liebte seine Freiheit, seine Ungebundenheit, obwohl er im Gegenzug viele Entbehrungen auf sich nehmen musste.
Die brutale Vergangenheit abzulegen, fiel ihm nicht leicht, und so dauerte es einige Zeit, bis er, der so früh das Töten gelernt hatte, lernte, Leben zu geben, zu pflanzen, zu erschaffen. Dafür macht es ihm umso mehr Freude. Wie ein kleines Kind saß er auf dem Acker und starrte stundenlang gedankenverloren auf eine Pflanze, als ob er sie wachsen sehen könnte, wenn er lange genug sitzen bliebe.
Aidan hatte nicht vor, jemals zu seinem früheren Leben zurückzukehren. Er genoss diese ruhigen, kontemplativen Momente, obwohl sein Verstand das Herz ständig zum Handeln drängen wollte, wenn auch ohne Erfolg. Es war eine unbeschwerte Zeit, und das war etwas, das Aidan niemals zuvor
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