Drachenjagd
in seinem Leben gekannt hatte.
Dem Zwerg war schon seit einigen Tagen aufgefallen, dass Aidan sehr still geworden war und kaum ein Wort sprach. Er wartete geduldig ab, wollte seinen Freund nicht bedrängen und ihn den ersten Schritt machen lassen, bis er seine Neugier schließlich nicht mehr zügeln konnte. Sie waren gerade auf dem Weg von ihrem Feld zurück nach Schwarzholm und Aidan war wie üblich in seine Gedanken vertieft. Er lief immer schneller, sodass Bogothar nicht mehr mithalten konnte, da ergriff der Zwerg die Gelegenheit beim Schopf.
»Aidan, was ist nur mit dir los?«, rief er diesem keuchend hinterher.
Aidan blieb unvermittelt stehen und wandte sich verwirrt um. Er hatte nicht bemerkt, dass der Zwerg zurückgefallen war.
»Hm?«
»Genau das meine ich, du bist zwar körperlich anwesend, aber dein Geist weilt nicht bei uns, sondern schwebt in weit entfernten Gefilden. Was stimmt nicht mit dir?«, fragte er, als er Aidan eingeholt hatte. Er blieb schnaufend stehen und sah seinen Freund besorgt an, was sein ohnehin faltiges Gesicht noch mehr zerknitterte.
»Du hast nicht einmal bemerkt, dass ich nicht mehr mithalten kann.«
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Aidan. »Ich habe es tatsächlich nicht bemerkt. Ich ...«
»Ach was, mach dir nichts draus«, sagte Bogothar mit abwehrender Geste. »Darum geht es mir überhaupt nicht. Es geht um deine offensichtliche Grübelei.«
»Ah, das«, sagte Aidan. »Weißt du«, setzte er an und verstummte im selben Moment wieder.
Bogothar wartete geduldig ab und schaute Aidan mit großen Augen so erwartungsvoll an, dass Aidan lachen musste.
»Mir geht gerade viel durch den Kopf«, sagte er entschuldigend.
»Ja, das kann man sehen«, sagte Bogothar. »Aber lass den Mund nicht einrosten, sonst wird er irgendwann nicht mehr funktionieren, wenn du ihn brauchst.«
»Du hast ja recht«, sagte Aidan und winkte dem Zwerg, ihm zu folgen. Sie verließen die ausgetretene Straße und gingen einige Schritte über die grüne Wiese zu einem kleinen Bach, dessen klares Wasser fröhlich plätscherte und glitzernd die Strahlen der Sonnen widerspiegelte. Aidan zog seine staubigen Stiefel und Socken aus, setzte sich an den Rand des Bachs und ließ die Füße in das angenehm kühle Wasser baumeln. Der Zwerg tat es ihm gleich.
Eine Weile genossen sie schweigend die Abkühlung, dann ging Aidan endlich aus sich heraus.
»Es geht um den Drachen«, erklärte er. »Ich mache mir Gedanken darüber, wie wir ihn besiegen können.«
»Das haben wir schon versucht«, wandte Bogothar ein, der schon etwas Derartiges vermutet hatte.
»Ja, aber jeder für sich alleine. Das ist das Problem bei uns Helden. Jeder will den Ruhm für sich alleine einheimsen, ans Teilen denkt niemand. Entweder schafft man etwas aus eigener Kraft oder man schafft es gar nicht. Warum kommt keiner auf die Idee, zusammenzuarbeiten? Ist das im Grunde nicht absolut lächerlich? Wir sind erwachsene Menschen und statt dass einer den anderen um Hilfe bittet ...«
Der Zwerg runzelte die Stirn.
»Natürlich auch Zwerge, so meinte ich das nicht, das weißt du. Wir sind Männer, ein ganzes Dorf voller ausgebildeter Krieger, und niemand denkt daran, dass wir den Drachen zusammen besiegen könnten. Einigkeit macht stark.«
Der Zwerg dachte stirnrunzelnd darüber nach.
»Einerseits hast du natürlich recht«, stimmte er zu, obwohl seine Stimme das genaue Gegenteil zu sagen schien. »Wir haben nie versucht, den Drachen gemeinsam zu bekämpfen, aber andererseits gibt es auch einen kleinen Schönheitsfehler in deinen Überlegungen.«
»Und der wäre?«
»Der Drache ist unsterblich.«
»Pah, ist er nicht«, rief Aidan und sprang auf. »Was am Leben ist, kann getötet werden. Ich glaube nicht an diesen Unsinn von irgendwelchen Uralten und deren Unsterblichkeit. Jedes Lebewesen hat eine Schwachstelle, man muss sie nur ausfindig machen. Auch dieser Drache hat einen wunden Punkt, wenn wir diesen finden, wird er sterben.«
»Da ist durchaus etwas Wahres dran«, bestätigte Bogothar, »aber bisher hat es niemand geschafft, die Bestie auch nur zu verletzen. Die Schwachstelle zu finden wird nicht einfach sein. Und es wird Opfer fordern, Opfer unter unseren Freunden.«
Aidan nickte.
»Das ist mir bewusst, darum grübele ich auch ständig nach. Seit Tagen zerbreche ich mir den Kopf darüber, wie wir den Drachen überlisten könnten, ohne uns in Lebensgefahr zu begeben. Ich zermartere mir den Kopf, aber mir fällt einfach nichts
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