Drachenkaiser
letzten Mal gesehen hatte. Zu ihrer Überraschung stand sie nun drei bewaffneten Männern und einer Frau gegenüber.
Fayence kam aus dem oberen Geschoss gesprungen und landete zwischen ihnen, in den Händen hielt er das Drachenschwert. Schneller, als die Gegner handeln konnten, zuckte die Klinge nieder und tötete sie nacheinander mit gezielten Stichen durch die Oberkörper. Fast gleichzeitig stürzten sie auf die Marmorplatten.
Silena starrte Fayence an. Sein einst weißer Mantel wies zahlreiche Risse und Löcher auf, an manchen Stellen haftete Blut, und seine Rüstung war gespickt mit Eisensplittern. Nur an den ganz dünnen Stellen hatten sie die Panzerung durchdrungen und ihm Verletzungen zugefügt. Aus zwei tiefen Schrammen an der Stirn und an der Wange quoll das Rot. »Bei den Heiligen«, entfuhr es ihr. Sie ging auf ihn zu. »Sind Sie sehr verletzt?«
Er wischte sich das Blut weg. »Nein«, sagte er abwesend, die Pupillen waren klein wie Stecknadelköpfe. »Der Segen von Ichneumon war mit mir.«
Silena vermutete, dass er die Substanz eingenommen hatte, die Nitokris ihr gezeigt hatte. Die übermenschliche Geschwindigkeit hatte ihm das Leben gerettet. Sie beugte sich über die Toten und durchsuchte sie rasch. »Ich beeile mich. Ich nehme an, dass die Polizei sich bald blicken lassen wird.« Sie sammelte die Geldbörsen ein, die sie in aller Ruhe untersuchen wollte. Jeden Fetzen Papier, den sie bei ihnen fand, steckte sie ein. »Unter dem Gartenschuppen ist eine Schlangengrube. Man hat diesen Viechern Menschen zum Fraß vorgeworfen.«
Zufällig entdeckte sie bei einem der Männer eine Tätowierung am Unterarm: ein asiatischer Drache und eine Schlange waren miteinander verschlungen. Silena atmete auf. Sie hielt den Arm hoch, damit Fayence das Bild sah. »Damit haben wir den Beweis, die Richtigen getötet zu haben.«
Fayence zeigte zum Fenster. »Eben humpelt einer vorbei.«
»Das ist bestimmt der Kerl, den ich angeschossen und dann niedergeschlagen habe.« Zuerst wollte sie ihm hinterher, um auch ihn zur Strecke zu bringen, dann aber hielt sie inne. »Wir lassen ihn entkommen.«
Fayence drehte den Kopf ruckartig, als wäre er ein mechanisches Wesen; die kleinen Pupillen machten es nicht besser. Er wirkte zutiefst unheimlich. »Nein.«
»Doch. Denn er wird uns zu denen führen, die sie geschickt haben.« Sie ging zur Tür und spähte durch einen Spalt hinaus.
Der Mann hinkte aus dem Tor auf einen abgestellten Kleinlaster zu.
»Ich denke nicht, dass es die Hausbewohner waren, die uns überfallen haben.« Sie wartete, bis sie den Motor starten hörte, dann lief sie hinaus. »Unser Taxi hat sich aus dem Staub gemacht!«
Silena hielt das nächste Automobil mit vorgehaltener Luger mitten auf der Straße an. Die Scheinwerfer blendeten sie, und sie konnte nur hoffen, dass es ein schnelles Fahrzeug war.
Der Wagen kam zum Stehen und hupte anhaltend. »Sie sind …«
»Ruhe!« Silena stieg auf den Beifahrersitz, Fayence in den Fond. »Folgen Sie dem Lastwagen«, befahl sie dem uniformierten Chauffeur, der mit weißen Handschuhen steuerte.
»Entschuldigen Sie, aber ich muss die Herrschaften abholen …«, stotterte er überfordert, ohne die Luger aus den Augen zu lassen, und wurde bleich.
»Das können Sie hinterher machen«, fiel sie ihm ins Wort. »Im Namen des Officium Draconis, geben Sie Gas und verlieren Sie den Laster nicht aus den Augen. Aber bleiben Sie auf Abstand, damit er uns nicht bemerkt.«
Der Chauffeur schluckte, sah auf die Straße und legte krachend den Gang ein. Er folgte dem Lastwagen, ohne fortan ein einziges Wort zu sagen. Dafür lief ihm der Schweiß in Strömen den Nacken hinunter.
Es ging zurück in die Stadt, quer durch das brückenreiche Dresden und auf der anderen Seite wieder aus Dresden hinaus. Mehr und mehr fiel die Stadtgrenze hinter ihnen zurück, die Automobile wurden weniger. Die Nacht war vollends hereingebrochen, die Lichtkegel der Scheinwerfer wurden zu verräterischen Zeichen in der Dunkelheit. Langsam wurde ihre Verfolgung auffällig.
Aber der Lastwagen behielt seine Geschwindigkeit bei. Der Fahrer machte keinerlei Anstalten, sie abhängen zu wollen. Plötzlich schwenkte er auf eine Allee ein, die zu einem großen Anwesen führte.
Silena ließ das Automobil anhalten. »Wir gehen zu Fuß weiter.« Sie sah den Chauffeur an, der mit einem Taschentuch sein glänzendes Gesicht, Hals und Nacken abtupfte. »Sie warten auf uns.«
»Sicherlich nicht«, stieß er hervor, was
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