Drachenkaiser
ihm durch den Kopf ging, und sah sie dann erschrocken an.
Silena lächelte ihm zu und zog den Schlüssel ab. »Sicherlich doch.« Sie stieg aus und rannte los; hinter sich hörte sie Fayence laufen.
Sie bewegten sich im Schutz der Bäume, während der Lastwagen auf das Tor des herrschaftlichen Backsteinhauses zufuhr, das von selbst für ihn aufschwang. Vor der großen Treppe blieb er stehen, und der Mann fiel mehr aus dem Führerhaus, als dass er ausstieg. Zwei Diener kamen herbei, stützten ihn, brachten ihn hinein.
Silena und Fayence erreichten die Mauer, liefen an ihr entlang, um näher an das Haus zu gelangen, und kletterten hinüber. Der Ägypter hatte seinen weißen Mantel ausgezogen und war mit seiner Rüstung nach wie vor auffällig. Die Eisensplitter, die darin steckten, verliehen ihm etwas Martialisches.
Gemeinsam überwanden sie das Hindernis und schlichen zu der Villa. Dort kauerten sie sich neben dem Dienstbodeneingang an die Wand und lauschten.
»Entweder hat uns niemand bemerkt, oder sie warten drin auf uns«, sagte Silena schwer atmend.
Ohne zu erklären, was er beabsichtigte, kletterte Fayence an der Fassade hinauf.
»He«, machte Silena leise und musste zusehen, wie er sich durch ein oberes Fenster schwang. Sie betrat das Haus durch den Dienstboteneingang.
Von Weitem hörte sie mehrere Stimmen, aus der Küche drang das Klappern von Geschirr. Wo haben sie dich hingebracht? Silena sah Blutspuren auf dem Boden und folgte ihnen. Draußen erklang das Dröhnen eines Motors, der Laster war angesprungen, dann näherte sich das Geräusch. Sie haben ihn vom Hof gefahren.
Die Blutspur endete vor einer Kammer, hinter der lautes, schmerzvolles Stöhnen erklang.
»Stellen Sie sich nicht so an«, sagte ein Mann harsch auf der anderen Seite der Tür. »Was tun Sie erst, wenn der Arzt hier ist und Ihnen die Kugeln aus dem Leib schneidet?« Es war eine kleine Weile still. »Sie haben wirklich Nerven, zu mir zu kommen.«
»Wo sollte ich sonst hin?«, gab der andere ächzend zurück.
»Was weiß ich denn? Jedenfalls nicht zu mir. Mein Haus ist kein Stützpunkt«, brauste der Mann auf. »Mein Vater hätte Sie weggeschickt, nein, erschossen hätte er Sie für Ihre Dummheit und Ihre Unfähigkeit. Gerade jetzt, gerade heute!«
»Sie hätten es sehen müssen, Herr Voss. Dieser Ägypter war unglaublich schnell! Ich sah durchs Fenster, wie er drei Meter durch die Luft flog und meine Freunde tötete. Binnen eines Herzschlags!«
Voss! Es konnte Zufall sein, dass der Mann, mit dem sich Grigorij in Edinburgh angelegt hatte, Voss geheißen hatte. Doch daran zu glauben, fiel ihr schwer.
»Sie halluzinieren ja, Friedrichs! Reißen Sie sich zusammen.«
»Sie hätten es sehen müssen!«, rief der Mann verängstigt und aufgebracht zugleich. »Das kann kein Mensch sein!«
»Ja, schon gut, trinken Sie noch was.« Voss schwieg wieder. »Besser?«
»Ja, danke.« Friedrichs klang erleichtert und unterwürfig. »Bitte, wann kommt der Arzt?«
»Jede Minute. Kann ich Sie allein lassen?« »Natürlich, Herr Voss.«
Voss… Stand sein Name nicht auch auf den Plänen des Neubaus für das Officium? Schritte näherten sich der Tür. Silena hielt Ausschau, wohin sie sich in Sicherheit bringen konnte. Der Besenschrank erwies sich als geräumig genug, um ihr als Versteck zu dienen. Gerade als sie die Tür bis auf einen Spalt schloss, trat Voss auf den Gang. Er trug eine schwarze Hose und passende Schuhe mit Gamaschen; über dem weißen Hemd mit Krawatte saß ein hellgrünes Gilet mit asiatischen Mustern. Die Kette einer Taschenuhr baumelte vom Knopf bis zu einer Tasche. Die Haare standen in wirren Locken vom Kopf; er fuhr mit den Fingern hindurch, ohne sie bändigen zu können. »Halten Sie sich tapfer, Friedrichs«, sagte er und ging den Korridor entlang.
Folge ich ihm oder schnappe ich mir den Drachenanbeter? Auch wenn ihr Bauchgefühl ihr sagte, dem Hausherrn auf den Zahn fühlen zu sollen, entschied sie sich für Friedrichs. Er war das leichtere Opfer.
Silena betrat den Raum, die Luger in der Hand und auf die Liege gerichtet. Der Mann hatte die Augen geschlossen, eine Flasche Scotch im Arm und rührte sich nicht.
Er wird doch nicht… Vorsichtig prüfte sie seinen Puls. Tot!
Keine Zeit verschwendend, verließ sie den Raum und suchte nach Voss. Während sie den Gang entlangeilte, fragte sie sich, was Fayence gerade trieb. Da es keinen Aufruhr in der Villa gegeben hatte, schien er nicht entdeckt worden zu sein.
Sie entschied
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