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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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presste. Die Energie drang in sie ein und brachte sie zum Leuchten. Das Knistern verstärkte sich. »Her damit, sage ich!« Er unterbrach seinen Angriff für einen Herzschlag, um Kraft zu sammeln, und jagte eine weitere Attacke gegen ihre Arme, um ihren Griff zu sprengen.
    Die Finger der Frau gaben das Artefakt frei, es fiel auf den Boden und erlosch.
    Endlich! Er langte danach – und schrie vor Schmerzen auf. Die Oberfläche hatte sich derart erhitzt, dass er sich schwere Verbrennungen zuzog und die Kugel sich in seinem Fleisch festbrannte. Sosehr er die Hand schüttelte, das Artefakt löste sich nicht von ihr. Stöhnend drosch er es gegen die Brüstung und kreischte schrill, als sich die Pein steigerte: Die Kugel fraß sich tiefer in ihn hinein und bewegte sich dabei in Richtung Handgelenk.
    Abgesehen von den immensen körperlichen Schmerzen setzte sie Bilder in seinem Kopf frei. Sie blitzten in rascher Folge auf und bestanden aus grellen, peinigenden Farben, und er vernahm dämonische Stimmen, die seine Seele schreckten. So ähnlich klang sein Herr, wenn er mit ihm sprach, nur tausendfach boshafter, beängstigender.
    Er wollte nichts davon sehen und hören, schlug um sich, als könne er Bilder und Stimmen zerschmettern, dann drosch er sich mit der Faust gegen den Schädel. »Nein! Nein!« Stinkender, heller Qualm schoss aus der Wunde. Das Artefakt wanderte weiter in den Unterarm, verbrannte den Knochen, die Adern und Muskeln.
    Dem tobenden Wu Li war inzwischen alles gleich, er musste sie loswerden: die Kugel, die Bilder und die Stimmen. Er fühlte, dass ihm sein Verstand entglitt. Snickelway hockte apathisch auf dem Boden, das Kinn sank auf die Brust. »Tu was, /?!«, schrie er sie an und wimmerte. Blut rann ihm aus Mund und Nase. »Ich verbrenne! Ich halte es nicht mehr aus! Diese Stimmen …!«
    Die Kugel hatte den Ellbogen erreicht; zischend verdampfte Gelenkschmiere. »Aufhören! Das muss auf…« Wu Lis Rufe gingen in seinem erneuten, hysterischen Kreischen unter. Er ertrug nicht mehr und wuchtete sich über die Brüstung. Es muss aufhören!
    Nach dreißig Metern endete sein Sturz auf dem Dach des Minsters; diesen Aufprall spürte er noch. Er rutschte von dort die Schräge hinab, glitt über den Rand und schlug mit dem Gesicht voran auf dem Kopfsteinpflaster auf.
    Die Qualen und sein Leben fanden ein Ende.
     
12. Januar 1927, Dresden, Königreich Sachsen, Deutsches Kaiserreich
    Silena kauerte hinter dem dichten Busch und umklammerte ihr Amulett, regte sich nicht und verfolgte, was Voss mit dem Drachen zu besprechen hatte. Sie hoffte, dass der Mann dabei möglichst viel redete. Wenn sich die Asiaten ebenso geistig mit Menschen unterhalten wie die europäischen, muss ich mir vieles zusammenreimen. Nie-Lung neigte den Kopf.
    »Läozi, alles ist vorbereitet. Mein Vater hat mir heute am Telefon versichert, dass die Drachen in Sicherheit sind. Er wartet auf Euren Befehl, Läozi, und er wird sie in die Freiheit entlassen.«
    Nie-Lung legte das Haupt leicht schräg.
    »Nein«, sagte Voss. »Läozi, es bedarf keiner großen Anstrengung. In wenigen Tagen haben wir die restlichen faulen Wertpapiere in Umlauf gebracht, und Vater wird über Mittelsmänner Kredite einfordern. Es wird kaum mehr aufzuhalten sein. Die Investoren sollen sich bereithalten.« Er schien dem Drachen zu lauschen. »Ja, Läozi.« Jetzt wirkte er peinlich berührt. »Nein, wir haben sie nicht ausgeschaltet. Wir haben sie zwar in eine Falle locken können, doch sie ist ihr entkommen. Sie hatte einen Mann bei sich, einen Ausländer, wie mir einer meiner Leute sagte. Er bewegt sich schneller als ein sterbliches Wesen und trägt ägyptische Zeichen auf seiner Rüstung. Kennt Ihr ihn, Läozi?«
    Der Drache bewegte den Kopf verneinend von rechts nach links und wieder zurück.
    Das ist gut zu wissen, dachte Silena. Je weniger über Fayence bekannt ist, desto besser.
    Wieder schwieg Voss. »Wir wissen nicht, wo sie abgeblieben ist«, sagte er. »Aber was immer sie vorhat, sie wird Euren Plänen nicht gefährlich. Nach dieser Unterredung mit Euch, Läozi, rufe ich umgehend meinen Vater an. Er wird die zweite Welle auslösen. Die Drachenjäger, die bisher überlebt haben, werden ausgemerzt werden. Und vom nächsten Schlag wird sich das Officium nicht mehr erholen. Der Untergang der Drachenfrevler wird mit dem wirtschaftlichen Untergang des Kaiserreichs einhergehen, damit unser aller göttlicher Herr ein Zeichen setzen kann.« Er verneigte sich tief. »Ich

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