Drachenkaiser
planen einen neuerlichen Anschlag auf das Officium.« In aller Kürze berichtete sie, was sie im Garten vernommen hatte. »Ich werde aus Voss aber in der Kürze der Zeit wohl nicht herausbekommen, was geplant ist. Kümmern Sie sich um das Officium, Großmeister.«
»Das tue ich sofort«, antwortete er aufgeregt. »Bei den Heiligen! In was sind Sie denn da geraten?«
»Eine Verschwörung, deren Ausmaße ich noch nicht kenne«, antwortete sie.
»Haben Sie eine Ahnung, wer der Verräter in unseren Reihen ist?«
»Sie meinen, wer mich in die Falle locken wollte?« Silena dachte blitzartig nach. »Finden Sie heraus, wer Ihnen die Nachricht von den Drachenfreunden gesandt hat. Denjenigen sollten Sie unverzüglich festnehmen und verhören. Vielleicht kennt er weitere Geheimnisse.«
»Ich veranlasse es auf der Stelle.«
»Und, Brieuc: Senden Sie ein Telegramm in das walisische Dörfchen Ruthin, in den örtlichen Pub. Sie sollen Leida vor einem möglichen Angriff warnen.«
»Gut. Geben Sie auf sich acht!« Er legte auf.
»Wie niedlich«, kommentierte Voss. »Sie wollen Ihre narbengesichtige Freundin retten?« Er lachte, schlug die Hände zusammen. »Machen Sie nur! Dennoch werden Sie auch deren Ableben nicht verhindern.«
»Reden Sie nur, was immer Sie wollen, Voss.« Silena erlaubte sich einen erleichterten Atemzug. Leida und Brieuc sind gewarnt. Jetzt musste sie herausfinden, was es mit den faulen Wertpapieren, Krediten und Investoren auf sich hatte, die für Nie-Lung auf eine Gelegenheit lauerten.
»Sie sehen erleichtert aus«, meinte Voss gelangweilt. »Sie freuen sich zu früh. Das kann ich Ihnen schon mal versichern.«
»Ich gebe Ihnen die Gelegenheit, mir zu erklären, was Sie mit den Wertpapieren beabsichtigen. Wieso soll das deutsche Kaiserreich geschwächt werden, und von welchem Zeichen, das gesetzt werden soll, war die Rede?«
Voss hatte sein Grinsen nicht verloren. »Sie erinnern mich an eine Ratte, die durch ein Labyrinth rennt und auf der Suche nach dem Käse ist.« Er lehnte sich wieder betont lässig nach hinten. »Dabei geht es gar nicht um den Käse. Das Wichtige ist außerhalb des Labyrinths. Dahin werden Sie niemals gelangen.«
Silena wusste nicht, wie sie Voss zum Sprechen bringen sollte. Ihre Blicke richteten sich auf die Ordner, die sich meterhoch stapelten. Das Geheimnis lag zwischen ihren Deckeln verborgen, aber sie hatte weder das Wissen über Wirtschaft noch die Zeit, alle Unterlagen zu durchsuchen. Eine Sackgasse. Böse funkelte sie Voss an. »Herr Voss, Sie sind hiermit wegen Konspiration gegen den deutschen Kaiser festgenommen«, sagte sie. »Ich überstelle Sie der nächsten Gendarmerie …«
»So? Zeigen Sie mir mal Ihre Beweise«, fiel er ihr ins Wort und lehnte sich nach vorn.
»Ich werde meine Zeugenaussage zu Papier bringen.«
»Sicher!« Voss wieherte vor Lachen.
»Danach wird der Geheimdienst Seiner Majestät Sie verhören, die Villa durchsuchen und auch Ihren Vater festnehmen«, zählte sie entschlossen auf. Wenn er nicht gleich aufhört zu lachen…
»Ausgezeichnet! Sie sind köstlich!« Voss wischte sich die Heiterkeitstränen vom Gesicht. »Mein Vater ist ein persönlicher Freund des Kaisers«, sagte er glucksend. »Er hat ihm im letzten Jahr eine Million Mark gegeben, einfach so. Für persönliche Ausgaben. Ein Drittel der deutschen Wirtschaft wird von meinem Vater direkt beherrscht, in einem weiteren Drittel hat er Anteile, die ihn zu einer entscheidenden Figur machen.« Er putzte sich die Nase. »Wissen Sie, wer an Macht gleich nach dem Kaiser kommt?« Er tippte sich an die Brust. »Dieser Name. Und nicht einer wird sich daran vergreifen wollen.«
»Ich werde es darauf ankommen lassen müssen.« Silena ärgerte sich über die Selbstverliebtheit des jungen Mannes und die Tatsache, dass er vermutlich recht hatte. Er hielt in diesem Spiel alle Trümpfe in der Hand, sie selbst dagegen war die Außenseiterin, die Großmeisterin mit dem falschen Namen. Sie hob den Hörer ab.
»Was macht Ihre verlorene Liebe? Haben Sie Ihren Gatten schon gefunden?«, sagte er mit einem vorgetäuscht mitfühlenden Tonfall. »Die Detektei, die Sie angeheuert haben, scheint hilflos zu sein.« Er stieß ein boshaftes Lachen aus. »Sie werden ihn niemals aufspüren!«
Silena fühlte sich, als habe ihr jemand das Herz zusammengepresst. Sie hängte wieder ein. »Sie haben etwas mit dem Anschlag zu tun?«
Voss lachte meckernd. »Es ist ja sehr leicht, Sie die Fassung verlieren zu lassen.
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