Drachenkinder
nur Frau Brechenmacher freute sich über meine Demütigung: Es gab einige, die früher Freunde gewesen, später zu Neidern geworden waren und sich jetzt an meiner Blamage weideten. Die Häme und Schadenfreude dieser Menschen gingen mir durch Mark und Bein.
Gut ein Dutzend Polizisten strömte durch den Vorgarten, gefolgt von dem streng dreinschauenden Herrn der Staatsanwaltschaft. Als wäre ich eine Schwerverbrecherin, die mindestens eine Leiche im Keller hatte.
»Hausdurchsuchungsbefehl!«
Mit diesem Wort bekam ich einen Wisch unter die Nase gehalten, den ich auf die Schnelle gar nicht richtig entziffern konnte. Zielsicher stapften die Polizisten mit ihren groben Stiefeln die Treppe hinauf, schnurstracks in unser Arbeitszimmer. Micki lehnte leichenblass am Schreibtisch und hob beschwichtigend die Hände.
»Können Sie mir bitte mal erklären …«
»Treten Sie beiseite, wir müssen alle Ihre Akten beschlagnahmen.«
»Aber doch nicht meine!«, rief Micki fassungslos.
»Das entscheiden wir!«
Und schon wurden unsere privaten Unterlagen durchwühlt, Fotoalben, Aktenordner, Steuerdokumente, Briefe, Fotos, Ausweise, sogar Krankenhaus-Diagnosen und unsere Patientenverfügungen, die aber auch gar nichts mit Katachel e . V. zu tun hatten. Alles landete in den von den Herren bereits mitgebrachten aufklappbaren Kisten. Noch bevor wir Luft holen konnten, standen die Männer bereits in unserem Schlafzimmer.
»Hallo, das ist privat!«
Keine Antwort. Routiniert arbeiteten sie wie im Akkord. Das Erniedrigende war, dass sie Plastikhandschuhe trugen! Als wären wir giftig, ansteckend!
Zu viert schauten sie unter den Matratzen nach, untersuchten den Lattenrost, wühlten sich durch die Wäscheschubladen, durchsuchten Mickis Hemden im Schrank und seine Anzüge, Innen- und Außentaschen. Kollegen stellten meine Handtaschen auf den Kopf, stülpten die Innenfutter nach außen. Schlüssel, Geld, Papiere, intimste Dinge purzelten heraus und wurden von den Polizisten teilweise beschlagnahmt.
»Das müssen wir alles mitnehmen.«
»Aber warum denn, um Himmels willen?«
Keine Antwort. Zu meinem größten Entsetzen blieben auch die ehemaligen Kinderzimmer nicht verschont, genauso wenig wie das Gästezimmer, in dem Anwar logierte.
Dieses Zimmer wurde ganz besonders gründlich durchsucht, mitsamt angrenzendem Badezimmer.
Micki und ich versuchten verzweifelt, nicht den Verstand zu verlieren.
»Aufgrund welcher Anschuldigungen wird denn hier gegen meine Frau ermittelt?«, brauste Micki auf, als die Küche drankam.
»Dadgul Delawar hat Anzeige gegen Sie erstattet! Ich dachte, das wissen Sie! Das stand ja schließlich in der Zeitung!«
»Genauso gut könnte Osama bin Laden Anzeige gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten erstatten!«, brüllte Micki. »Würde bei dem dann auch eine Hausdurchsuchung stattfinden?«
»Regen Sie sich ab, wir tun nur unsere Pflicht!«
»Ja, das hat die Stasi auch gesagt, als sie meinen Vater achtzehn Monate lang unschuldig eingebuchtet hat!«, schrie ich wutentbrannt. Tränen des Zorns und der Demütigung liefen mir über die Wangen. Mit dem Handrücken wischte ich sie weg.
»Werden Sie jetzt nicht hysterisch, ja! Gehen Sie zur Seite, und lassen Sie uns unsere Arbeit machen!«
Nach einer gefühlten Ewigkeit trampelten sie mit Kisten voller »Beweismaterial« wieder quer durch unseren Vorgarten zu den beiden Polizeibussen zurück. Motoren wurden angelassen, und dann waren sie weg. Frau Brechenmachers Gardinen wurden mit einem Ruck zugezogen.
Die Mühlen der deutschen Bürokratie mahlten langsam: Auf meine ungeduldigen Anfragen bei der Staatsanwaltschaft, der ich meine Sicht der Dinge schildern wollte, bekam ich nur zu hören, man müsse das Material erst einmal sichten. Frühestens in acht Monaten würde man mich dann zu einer Anhörung empfangen.
Acht Monate, in denen mir die Hände gebunden waren. Acht Monate, bis ich auch nur den Hauch einer Chance bekam, mich zu rehabilitieren! Sollte ich hier etwa so lange untätig rumsitzen? Einen Spießrutenlauf nach dem anderen durch Bergfeld absolvieren? Wie stellten sich die Herren von der Staatsanwaltschaft Braunschweig das eigentlich vor? Aber leider blieb mir nichts anderes übrig. Das lange Warten begann.
Ich fing gerade an, wieder etwas durchzuatmen, als der nächste entsetzliche Anruf aus Katachel kam.
»Einige Männer sind nachts heimlich über die Mauer in den Hof der Familie Mahmad geklettert. Sie wollten eine Bombe deponieren, die Sarmina
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