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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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malerische Treiben in der grandiosen Landschaft: schneebedeckte Berge, überspannt von einem makellos blauen Himmel. Wir nahmen eine abenteuerliche Brücke über den riesigen türkisblauen Indus, der sich in nur hundert Metern Entfernung mit den braunen Wassern des Kabulflusses vereinigte. Ich seufzte tief auf. Was für eine großartige Kulisse! Wie aus Tausendundeiner Nacht . Hier durfte ich sein! Nicht als neugierige Touristin, sondern als tatkräftige Helferin. Vielleicht sogar ein bisschen als zukünftiges Mitglied dieser Gesellschaft. Eine Woge der Zuneigung für dieses Land und seine Menschen überrollte mich. Hier gehörte ich her.
    Fünf Autostunden später merkten wir an Staub und Abgasen, dass wir in Peshawar waren, der Stadt der Flüchtlingslager, aus der ich vor vier Jahren »das Monster« mitgebracht hatte. Den Vermummten, der damals fast schon verhungert und verdurstet war. Der aus Versehen auf die Damentoilette gegangen war, weil er nicht lesen konnte.
    Jetzt konnte Dadgul lesen und schreiben, Auto fahren, schwimmen und Schlittschuh laufen. Und für den VfL Wolfsburg brüllen. Welch ein Unterschied!
    Abdul/Hagen, mein anderer Schützling, rutschte nervös auf seinem Sitz hin und her, als wir uns wieder dem Greens näherten. Suchend ließ er seinen Blick über das Getümmel schweifen. Einer der vielen Turbanträger mit langen weißen Bärten war sein leiblicher Vater, Mullah Schah Mahmud, der ihn damals schweren Herzens hergegeben hatte. Seine ganze Familie wartete auf den Genesenen. Für Abdul/Hagen war dies hier »nur« ein Besuch. (Falls er es sich nicht anders überlegte.)
    Für Dadgul ein Nachhausekommen.
    »Frau Schnehage, ich geh dann jetzt.« Abdul stand neben mir im Staub, umringt von seinen Verwandten, die ihn umsurrten wie ein Bienenschwarm. Ich konnte förmlich mitansehen, wie er sich vom Deutschen Hagen wieder in den Afghanen Abdul zurückverwandelte.
    »Du weißt, was du deinem Vater Rudi versprochen hast?«
    »Ja.« Er senkte den Blick. »Dass ich mit dir zurückkomme.«
    »Und?«
    Abdul zuckte mit den Schultern. Seine Verwandten schrien auf ihn ein, zerrten an ihm, küssten und umarmten ihn unter Tränen.
    »Gib mir mal deinen Pass.« Ich streckte die Hand aus. Seine Entscheidung würde ich nicht beeinflussen können, aber ich wollte das Meine dazutun. Schon für Rudi, in dessen Schuld ich stand. Und für Christel natürlich. »Den behalte ich, und in zwei Wochen stehst du wieder hier. Dann bekommst du ihn zurück!«
    Hagen/Abdul hatte einen deutschen Pass. Der war bei mir gut aufgehoben. Wenn er hierbleiben wollte, konnte er mit dem Pass sowieso nichts mehr anfangen.
    »Dadgul, was ist los?« Mein eigener »Sohn« klopfte mir zaghaft auf die Schulter.
    »Khalid sagt, ich kann hier nicht pennen.«
    »Khalid, was soll das heißen?« Wütend fuhr ich herum. »Kann mir hier mal jemand mit dem Gepäck helfen?!«
    »Tut mir leid, Frau Schnehage.« Khalid stemmte die Hände in die Hüften. »Sie arbeiten nicht mehr für die HFA , und Ihr Schützling erst recht nicht.«
    »Dadgul, du pennst bei mir auf dem Fußboden!« Mir doch egal, was die Leute von uns denken würden.
    Dadgul nickte freudig und verschwand, um seine Verwandten im Flüchtlingslager zu suchen.
    »Na, ihr seid ja toll!« Kopfschüttelnd schleppte ich meine Koffer und Taschen selbst in den dritten Stock der bescheidenen Herberge.
    Khalid Wakili, für den ich seit drei Jahren gearbeitet und gesammelt hatte wie blöd, dem ich jede Spende ausgehändigt und für den ich über zweihundert Patenschaften organisiert hatte, sah sich nicht veranlasst, meinen Schützling im Hotel unterzubringen?! Geschweige denn mir mit dem Koffer zu helfen? Es lebe die deutsch-afghanische Freundschaft!
    Nach einer Dusche und ein paar Flüchen aus dem Heimwerkermilieu gesellte ich mich zu den Ärzten und Pflegern, die unten in dem mir schon bekannten »Restaurant« Tee aus Plastikbechern tranken.
    Manfred gefiel mir am besten. Er hatte so eine ruhige, überlegte Art, die in dem hektischen Getümmel hier sehr wohltuend war. Als Krankenpfleger war er schon oft in Krisen- und Kriegsgebieten gewesen, ihn konnte so schnell nichts erschüttern.
    »Man muss die Menschen hier so nehmen wie sie sind. Andere Länder, andere Sitten«, sagte er schmunzelnd. »Wir wollen ihnen helfen, aber wir dürfen uns nicht anmaßen, sie zu erziehen. Und Dankbarkeit dürfen wir auch nicht erwarten.«
    Auf einem Plastikstuhl, mit Tee und süßem Gebäck aus Kürbiskernen, Rosinen

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