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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Erregung auf die Bluse. Die jungen Mütter, Cousinen und Schwestern quietschten vor Begeisterung und ich vor Entsetzen – die Kinder, Hühner und Enten quietschten sowieso die ganze Zeit. Schnell gab ich der Mutter das Baby zurück und fragte: »Hat euer Supermarkt noch offen?« Blöde Frage. Verdammt, wo bekam ich jetzt eine frische Bluse her?
    Auswaschen an der Wasserleitung war angesagt.
    Ich warf mir eines dieser Tücher über und wrang gerade meine Bluse unter dem kümmerlich tropfenden Hahn aus, der für etwa fünfhundert Mitglieder dieses Ortes »Katchagari« zuständig war, als Dadgul mit dem Familienoberhaupt ankam, dem fünfzigjährigen Ältesten Gol Rahman.
    Was nun folgte, war, wie ich später erfuhr, ein typisch afghanisches Gespräch:
    Der Hofkommandant erkundigte sich sehr ausführlich nach dem Ergehen meines Vaters.
    »Dem geht’s prima«, sagte ich verlegen. »Der bastelt in seiner Hobbygarage herum und hat sich neulich mit dem Hammer versehentlich auf den Daumen gehauen. Ist aber nicht schlimm.«
    »Und wie geht es deiner Mutter?«, übersetzte Dadgul formvollendet.
    »Na ja, weißt du doch! Die hat halt jetzt die Kinder an der Backe.«
    »Und wie geht es deinem Mann?«
    »Oh, Michael arbeitet viel, und neulich hatte er eine Blasenentzündung, aber warum fragt er?«
    »Und wie geht es deinen Kindern?«
    »Dadgul! Was will er?«
    »Also schau, Mama, diese Wasserquelle hier …«
    »Ja?« Ich erhob mich aus der Hocke. »Ist nicht so sprudelnd, ich weiß.«
    »Sie liegt fünfhundert Meter von unserem Hof entfernt, und wir tragen uns mit dem Gedanken, eine Leitung zum gemeinsamen Vorhaus zu legen.«
    »Eine prima Idee!« Ich nickte zustimmend und presste die nasse Bluse an mich.
    »Da wäre nur noch das Problem mit der Finanzierung.« Dadgul räusperte sich.
    »Was kostet denn der Spaß?«
    Das fragte Dadgul den Clanchef, und dieser antwortete etwas.
    »Eintausendzweihundertfünfzig Rupies.«
    »Hm.« Ich kratzte mich am Kopf. »Und das wäre – nur mal so, Pi mal Daumen?«
    »Fünfzig Mark.«
    Tja. Da standen wir nun. Bis ich in Deutschland Spenden über fünfzig Mark gesammelt hatte, war der Dadgul-Clan längst vertrocknet.
    Spontan kramte ich den braunen Schein aus der Gürteltasche. »Hier. Kleines Gastgeschenk.«
    Erfreut zogen die Männer mit der Kohle ab.
    Kaum zu glauben, aber am nächsten Tag war sie fix und fertig, die neue Wasserleitung! Frisches, klares Wasser strömte im Hof in einen Blecheimer, und alle freuten sich wie Bolle. Mehr noch: Die Sensation wurde von Dutzenden von Nachbarn bestaunt, die von nah und fern herbeigeströmt waren. Männer, Frauen und Kinder bewunderten den neuen Luxus, der ihnen das Leben ab jetzt kolossal erleichtern sollte. Die Frauen hatten bereits Großreinemachen veranstaltet: Der ganze Hof glänzte vor Sauberkeit.
    Zur Feier des Tages spielten wir alle Mensch ärgere dich nicht . Das Spiel hatte Dadgul von Vanessa mitgebracht. Als erfahrener Spieler schaffte es Dadgul sofort, mich zur Strecke zu bringen. Mit diabolischem Grinsen warf er mich raus, sooft er konnte. Da ging aber das Protestgebrüll los! Wütend schimpfte man auf ihn ein, hielt seine Hand fest, um ihn zur Herausgabe meiner Spielfigur zu zwingen: Das sei doch wohl ein Unding, die edle Spenderin einer neuen Wasserleitung hier verlieren zu lassen!
    Natürlich verstand ich das nicht Wort für Wort (besser Schrei für Schrei), aber es war klar, dass sie sich für Dadguls Unhöflichkeit schämten.
    Ich hielt mir den Bauch vor Lachen. Klasse, Dadgul, echt Klasse! Du warst schon immer ein Gentleman, durch und durch!
    Dadgul wurde rot und verteidigte sich wortreich. Das seien nun mal die Spielregeln, und im Krieg ginge es auch nicht anders zu: Wer umgemäht wird, wird umgemäht. Ich erklärte mit Händen und Füßen, das sei schon okay, das Ganze sei schließlich nur ein Spiel und heiße nicht umsonst Mensch ärgere dich nicht.
    Zum Trost wollten mir die Frauen noch eine Freude machen. Ich musste mich auf ein Bett aus geflochtenem Bast in die Sonne setzen und mir Hände und Füße mit Henna bemalen lassen. Das Ganze musste dann drei Stunden lang trocknen. Das war ihr Schönheitssalon. Ihr Gutschein für eine Maniküre und Pediküre. Ich war gerührt: Sie mochten mich.

16
    Dadgul, Khalid Wakili von der HFA und ich besuchten Dr. Mirajan, den Chef der hiesigen Flüchtlingshilfe AUA , um mit ihm über Dadguls Zukunft als Projektleiter in Katachel zu sprechen. Der begrüßte mich distanziert und wies mir

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