Drachenkinder
zeigen, wenn man gute Karten hat. Der Preis wurde auf diese Weise bestimmt auch ordentlich in die Höhe getrieben.
Okay, ich übte mich also in Geduld und sah mir das Spielchen ein paar Wochen lang an.
»Na, Sabet?«, sagte ich eines Morgens, als ich gerade in mein Auto stieg, und der Nachbar bedrückt an seiner Hausmauer lehnte. »Will es nicht so recht klappen?«
»Nein.« Er schüttelte deprimiert den Kopf. »Sie lehnen ab.«
»Ach, Sabet, das gehört zum Spiel!«
»Nein!«, sagte Sabet. »Sie wollen meinen Sohn wirklich nicht. Sie haben mir gesagt, in Kunduz sitze ein reicher Knilch aus Kandigols Familie, der für Anissa das Vierfache bezahlen will.«
»Lass mich mal machen, Sabet!« Ich nickte dem Mann tröstend zu. »Noch ist nicht aller Tage Abend. Dadgul will seinen Augenstern auf keinen Fall hergeben!« Ich zwinkerte ihm verschwörerisch zu und fuhr erst mal zur Spendenverteilung ins Nachbardorf Nassery. Die Menschen dort hatten es besonders nötig.
Abends erwartete mich Dadgul. Verlegen lief er in meinem Büro auf und ab.
»Oh«, sagte ich mit einem Seitenblick auf ihn. »Nett, dass du es auch mal wieder einrichten kannst vorbeizuschauen.«
»Mama, kannst du bitte vermitteln? Ich habe Ärger mit meiner Frau.«
»Darf ich mir erst mal die Hände waschen?« Ich drückte dem untätigen Dadgul einen Stapel Aktenordner in die Arme und ging erst mal in mein Zimmer, um mich ein wenig frisch zu machen. Wenn der Herr Kommandante mir schon seit Wochen nicht mehr bei der Basisarbeit half, konnte er wenigstens warten, bis ich einen Schluck getrunken hatte.
Wenig später trat ich auf den Hof, wo die Familienkonferenz schon auf mich wartete. Kandigol mit Habichtblick, ihr Sohn Tadjudin, den sie zu einem arroganten Widerling erzogen hatte, Anissas ältere Schwester Palwasha, die Jüngste, Aziza, – und natürlich auch Kommandante Dadgul. DER CLAN .
Ich zog einen Schemel heran und ließ mich darauf nieder. Alle Augen waren auf mich gerichtet.
Dadgul warf mir einen flehenden Blick zu und knetete seine Hände.
»Ihr Lieben«, hob ich so diplomatisch wie möglich an. »Ich finde, Sabets Sohn ist doch eine prima Partie! Ein bisschen klein, aber er passt doch genau zu Anissa! Sie mag ihn, sie hat mir gesagt, das geht klar mit der Hochzeit – und was das Allerwichtigste ist, Dadgul hat seinen Augenstern weiterhin in der Nähe! Falls Sabets Sohn sie eines Tages nicht gut behandeln sollte, weil sie nur eine Tochter geboren hat oder so, habt ihr das alles unter Kontrolle.«
Sofort plusterte sich die dicke Kandigol auf und hackte auf mich ein. »Das geht dich alles einen Scheißdreck an, Schnehage! Misch dich gefälligst nicht in unser Leben ein!«
»Genau!«, grollte die arrogante Palwasha, die vor lauter Speck kaum noch aus den Augen sehen konnte. »Du bist eine khariji , eine Ausländerin, du gehörst nicht zur Familie. Das hier ist Afghanistan, und wir haben unsere eigenen Regeln. Was maßt du dir überhaupt an?«
»Ähm … Hallo?« Hilfesuchend sah ich zu Dadgul hinüber, aber der hockte mit verschränkten Armen und versteinertem Gesicht da und gab mir keinerlei Rückendeckung.
»Ich habe euch das Mädchen gerettet, wisst ihr noch? Würmer, keine Zähne, Glatze, unterernährt, Kleinwuchs … Dadgul sagt immer, sie sei auch meine Tochter?!«
»Ist sie aber nicht!«, keifte Kandigol. »Wir geben UNSERE Tochter, wohin wir wollen. Und du hältst dich da raus!«
»Aber ich wollte doch nur helfen!« Wieder sah ich hilfesuchend zu Dadgul rüber.
»Du kotzt uns an mit deinem Helfen!«, schnauzte Palwasha mich an. »Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten!«
»Ähm … Dadgul?« Wieder schaute ich zu meinem ehemaligen Ziehsohn hinüber, der mich doch schließlich um Vermittlung in dieser Angelegenheit gebeten hatte.
Aber Dadgul sagte keinen Ton. Aus Feigheit? Fassungslos stand ich auf, schnappte mir meine Wasserflasche und verzog mich in mein Zimmer. Innerlich zerbrach etwas in mir. Dadgul!, dachte ich. Was bist du nur für ein mieser Heuchler! Hast du nicht den Mumm, vor deiner Frau deinen Mann zu stehen? DU hast mich um Hilfe gebeten! Ich hab mich nicht aufgedrängt! Ich schluckte Tränen der Demütigung, Wut und Verzweiflung hinunter. Was hatte ich nicht alles für ihn und seine Mischpoke getan. Das war also der Lohn.
Noch am selben Abend schnappte ich mir die Stute, die mir der Malek von Eshantup geschenkt hatte, und galoppierte in Begleitung Anwars, meines neuen treuen Begleiters, am Fluss Gau Kush
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