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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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von einer glücklichen Rahima vor ihrem Häuschen geschickt, wenn er es ihr gar nicht überlassen hatte!
    Am nächsten Tag stellte ich Dadgul zur Rede.
    »Sag mal, wohnt Rahima gar nicht in dem Häuschen in Katachel Arab?« Arab war die Neubausiedlung auf der anderen Seite des Flusses, die nach dem Brückenbau entstanden war. Da die meisten Einwohner arabischer Abstammung waren, hatte die Siedlung den Namen »Arab« erhalten.
    »Natürlich wohnt Rahima dort. Ich hab dir doch Fotos geschickt!«
    »Anwar sagt, du hast ihr das Haus nicht gegeben.« Ich lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und musterte Dadgul mit zusammengekniffenen Augen.
    »Anwar ist ein Idiot.«
    »Dadgul, sag mir die Wahrheit. Hast du Rahima das Haus gegeben?«
    »Zweifelst du etwa an mir?«, brauste Dadgul auf. »Wenn ja, lasse ich Rahima sofort holen, damit sie es dir bestätigt!«
    »Ja. Das ist eine gute Idee. Ich warte.« Ich rührte mich keinen Zentimeter von der Stelle. »Das klären wir hier und jetzt.« Mich überlief es heiß und kalt, während Dadgul und ich eisige Blicke tauschten. Dadgul brüllte irgendwas ins Hinterzimmer und warf seinem Sohn die Autoschlüssel zu. Königssohn Tadjudin, der gerade mal wieder nichts zu tun hatte, holte sie ab.
    Keine zwanzig Minuten später stieg Rahima aus dem Auto. Sie war so klapperdürr, dass ich mich wunderte, dass sie überhaupt noch stehen konnte. Tadjudin packte sie recht grob am Arm und schien ihr ihren Text vorzusagen.
    Rahima schenkte mir ein zittriges Lächeln, bedankte sich für das Haus, berichtete mir überschwänglich von ihren Ziegen, ihrer Kuh und ihrer Seifenherstellung, mit der sie ganz prima leben konnte, und meinte dann, sie müsse leider gleich wieder weg, die Kinder seien im Hof allein.
    »Soll ich mitkommen, Rahima?« Schon griff ich nach dem Bauchgürtel wie andere Frauen nach ihrer Handtasche.
    »Nein, vielen Dank, passt schon. Ich bin sowieso auf dem Weg in die Stadt!«
    »Ich denke, die Kinder sind im Hof allein?!«
    »Ähm … Ja, die nehm ich natürlich mit!«
    Schon packte Tadjudin Rahima unwirsch am Handgelenk und bugsierte sie wieder zum Auto. Mit der Hand auf ihrem Kopf stieß er sie unsanft hinein.
    Ich winkte ihr nach, wie eine Mutter ihrem Kind hinterherwinkt.
    Ein schrecklicher Stachel bohrte sich in mein Herz: War das hier alles nur ein abgekartetes Spiel? Hatte man Rahima gezwungen mitzumachen? Kam sie gar nicht von ihrem Häuschen, sondern aus dem Verschlag, in dem die Schwiegereltern hausten?
    »Na, zufrieden, Mama?!«
    Dadgul spuckte neben mir aus und stapfte zurück ins Haus.

36
    Eines Abends saß ich mit Anwar im Hof und lernte. Wie zwei ABC -Schützen malten wir Schriftzeichen in unsere Hefte. »Schau mal, Anwar, habe ich das richtig gemacht?«
    Anwar zuckte die Schultern: »Keine Ahnung«, sagte er mit entwaffnendem Blick.
    Ah! Dadgul trat gerade aus dem Haus. Vielleicht konnte man den Kommandante mal fragen.
    »Du, Dadi, muss ich den Kringel auf die Mittellinie machen oder weiter unten?«
    Ich wollte den Frieden unbedingt wiederherstellen. Es ging schließlich nicht um unseren verletzten Stolz oder darum, wer die Macht hatte, sondern es ging um ein Riesenhilfsprojekt, von dem unzählige Menschen abhingen. Das durfte nicht einfach den Bach runtergehen, nur weil zwischen uns was faul war.
    »Da unten am Fischteich stimmt was nicht.« Dadgul zeigte auf sein Handy.
    »Tadj Mahmad hat gerade angerufen, die Bundeswehr steht mit Panzern auf unserem Vereinsgelände.« Tadj war der Bruder von Anwar, mit dem ich gerade lernte. Der Gute hatte ein Dutzend Brüder. Die Mutter hatte wohl ziemlich lange im Bett gelegen nach jedem Geschlechtsverkehr. Nur eine Tochter war dabei. Nun, irgendwann musste sie notgedrungen aufstehen und sich um ihre zwölf Söhne kümmern.
    »Oh, gib mal her.« Ich streckte schon die Hand nach dem Handy aus, aber Dadgul zog es reflexartig weg. Erst unter Anwars erstauntem Blick gab er es mir.
    »Tadj Mahmad? Schnehage will dich sprechen.«
    Ich ließ mir von Tadj, der so eine Art Nachtwächterposten hatte, berichten, was los war. Deutsche Soldaten standen mit Panzern am Fischteich. Es war finstere Nacht, und überall in den Feldern schliefen afghanische Arbeiter, die die Ernte bewachten und daher ebenfalls bewaffnet waren. Das reinste Pulverfass.
    »Gib mir mal einen von den deutschen Soldaten«, verlangte ich ungeduldig.
    Ich hörte Tadj schüchtern rufen, dann aggressives Geschrei aus Männerkehlen.
    »Die lassen mich nicht näher

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