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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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hielten mir ihre Wunden und kranken Kinder entgegen, um so als Erste etwas abzubekommen. Das hatte keinen Zweck gehabt, denn mein Mitleid war stets so groß, dass für die Letzten nichts mehr übrig blieb.
    »Wo ist denn Meister Dadgul heute?«, wandte ich mich an den Polizisten.
    »Ich glaube, auf einer Sitzung.«
    »Ach. Und gestern war er auf einer Beerdigung?!«
    »Ja. Und vorgestern auf einer Hochzeit.«
    »Na, Hauptsache er bringt sich ein.« Kopfschüttelnd verteilte ich weiter das Geld, zählte mit feuchten Fingern Afghani-Scheine in dankbare Hände.
    »Anwar, kannst du Fotos machen? Du weißt schon, für unsere Spender in Deutschland.«
    Anwar warf sich in die Brust vor Stolz. Er war jetzt mein persönlicher Assistent!
    Manche Frauen schlugen sofort Schleier oder Hände vors Gesicht, in dem Bewusstsein, dass Fotografieren verboten war. Aber die Fotos waren die Bedingung: Nur so konnten wir neue spendable Paten finden.
    Nach Stunden war unsere Arbeit getan, und die letzten Witwen zogen glücklich mit ihren Kindern, ihrer Ziege und ihrer Reisration ab. Ich posierte noch einmal für ein Gruppenfoto, um wieder authentische Aufnahmen für unseren nächsten Kalender zu haben.
    Anwar und Hamidullah fragten höflich, ob sie jetzt gehen dürften. Es war schon Abend, aber immer noch drückend heiß.
    »Wo geht ihr hin?«
    »Zu den Fischteichen, khanom Sheni Hagei  – Frau Schnehage.«
    »Und was macht ihr da?«
    »Den Fischern beim Netzeziehen zusehen!«
    »Ja, da könnt ihr was lernen.« Ich hatte den Männern schon vor Jahren beigebracht, wie man ohne Kalaschnikow Fische fängt, und der Bestand in den Fischteichen war erfreulich gewachsen.
    »Wisst ihr was? Ich komme mit.«
    Die Knaben erröteten vor Freude, und schon schwangen wir uns mit Naser in unser Vereinsauto. Polizist Assad folgte uns auf seinem Motorrad, Mobin auf dem Soziussitz. Ich sah im Rückspiegel, wie sie durch den Staub bretterten und dabei gestikulierten und lachten. Aus dem Kassettenrekorder kam laute Pashtumusik.
    Worüber sie wohl redeten? »Die Sheni Hagei ist zwar durchgeknallt, aber echt in Ordnung«? Vermutlich so was in der Art.
    Die Fischteiche lagen in der Abendsonne. Darin standen bereits die Fischer mit ihren Netzen, natürlich komplett bekleidet. Auch meine Jungs sprangen sofort hinein, wateten auf die Männer zu und packten mit an.
    Ja, wie jetzt?
    Ich sah mich um.
    Ich etwa nicht oder was?
    Nur Assad, der Polizist, lehnte noch an seinem Motorrad, mitsamt Uniform und Kalaschnikow.
    »Erschießt du mich, wenn ich da auch kurz reinspringe?«
    Assad stutzte, grinste breit, zog seine Uniform aus, legte die Kalaschnikow auf die Erde und sagte: »Nö.« Zu meiner freudigen Überraschung lief er mit seinem knielangen Hemd samt Sturzhelm in die Fluten.
    Also dann! Nichts wie hinterher!
    Erstaunte Männerblicke taxierten mich.
    »Sheni Hagei lässt ihren Körper zu Wasser!«
    »Seinen Körper!«
    »Ach so, ja klar!«
    Auf einmal standen wir alle bis zur Brust im Wasser – bis auf den Polizisten natürlich komplett bekleidet – und sortierten die Fische in kleinere Netze.
    Die Arbeit war so schneller getan als geplant.
    »Und jetzt? Wer schwimmt mit mir ’ne Runde?« Ich kraulte ein wenig durchs trübe Gewässer, doch als ich mich umsah, standen sie alle ratlos da.
    »Ja wie? Könnt ihr nicht schwimmen?«
    »Doch ! Ab bazi ! «
    Plötzlich fielen mir Dadguls erste Schwimmversuche im Freibad von Wolfsburg wieder ein. Auch er hatte behauptet, schwimmen zu können. Ab bazi hieß »Wasser spielen«. Also planschten wir ein wenig herum, und um die Stimmung aufzuheizen, drehte Anwar unser Autoradio auf. So überhörten wir den Ruf des Muezzins vom nahe gelegenen Minarett heute ausnahmsweise mal. Ich fühlte mich wie eine Sechzehnjährige, die verbotenerweise mit den Dorfrowdies herumtollt, während die Kirchenglocken zur Abendmesse läuten.
    Zum Abschluss machten wir noch Fotos. Alle Männer wollten mal die Kalaschnikow halten. (Statt die Sybille. Andere Länder, andere Sitten!)
    Es war ein tolles Gefühl. Und weil es so schön war, machten wir das von nun an jeden Abend. Und den blöden Dadgul vermisste ich kein bisschen. Andere afghanische Mütter hatten auch schöne Söhne!

35
    »Dadgul, kann hier nicht mal jemand sauber machen?!«
    Mein Büro im Haus des Kommandanten war vor lauter Staub und Dreck kaum noch zu sehen. Was taten die eigentlich den ganzen Tag?
    Dadgul erschien missgelaunt im Türrahmen. »Du hast doch zu Hause in Bergfeld auch

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