Drachenkinder
ran.«
»Haben die denn keinen Sprachmittler dabei, die Armleuchter?«
»Offensichtlich nicht. Sie denken, ich will ihnen was tun. Klar, ich hab ’ne Kalaschnikow, und sie haben auch Waffen: Wer den ersten Schritt macht, ist tot.«
»Das sieht gar nicht gut aus!«, sagte ich. »Dadgul, wir fahren hin.«
Noch während wir im Pick-up saßen, rief ich zu Hause bei Micki an. »Micki, wenn ich erschossen werde, dann von deutschen Bundeswehrsoldaten!«
»Pass auf dich auf, mein Schatz!«
»Ich bin ja nicht auf den Mund gefallen!«
»Aber das wissen die ja nicht!«
»Gleich wissen sie’s!«
Gemeinsam stiegen wir aus, Dadgul, Monaf, Assad, Hamidullah, Anwar und ich, und nahmen den schmalen Weg zum Fischteich. Tatsächlich: Da drüben standen Panzer und andere Militärfahrzeuge.
In den umliegenden Weizenfeldern versteckten sich die Feldarbeiter.
»Mann, sind die denn bescheuert? Die Feldarbeiter fühlen sich doch bedroht!«
»Pssst, Mama, leise!«, wimmerte Dadgul.
Ich dachte gar nicht daran, leise zu sein.
»He!« schrie ich zu den Panzern herüber, bei denen sich gerade ein Soldat eine Zigarette anzündete. Sie leuchtete in der schwarzen Nacht wie ein Glühwürmchen. »Ich bin Deutsche! Schönen guten Abend! Mein Name ist Sybille Schnehage. Ich komme aus Bergfeld bei Wolfsburg!«
Nichts. Keine Reaktion.
» VfL Wolfsburg!«, schrie ich. »Drei zu eins gewonnen, letzten Samstag bei der Bundesliga!«
Statt mit ausgebreiteten Armen auf mich zuzurennen und den Wolfsburger Schlachtruf zu brüllen, reagierten die Trottel einfach nicht.
»Gott, wenn die jetzt schießen, weil sie Bohnen auf den Ohren haben …«, wimmerte ich mit eingezogenem Kopf. Ich erschrak über meine eigene Courage.
»Haben Sie Waffen?!«, brüllte endlich einer zurück.
»Nee! Sie?« Meine Stimme hallte durch den Nachtnebel. Jeder Feldarbeiter griff vermutlich schon nach seiner Kalaschnikow. Wenn sich Deutsche nachts anschreien, klingt das nicht gerade nach Party.
»Was machen Sie hier?«, bellte mich einer an.
»Das frage ich SIE !«, kläffte ich zurück.
»Das geht Sie nichts an!«
»Hallo? Das ist UNSER Fischteich, und das geht uns SEHR WOHL was an!«
Stille. Rascheln. Räuspern. Jemand hustete. Das Glimmen der Zigarette war das einzige Licht.
»Wir müssen Ihnen keine Auskunft geben!«
Da hatte aber einer die Vorschriften ganz genau gelesen! Ich dachte an meinen Freund Wolfgang Grebenstein und vermisste ihn schrecklich.
»Ich WOHNE hier!«, rief ich energisch, »und das ist UNSER Hilfsprojekt, auf dem Sie da kampieren! Katachel e . V.! Wir züchten hier Fische!«
»Na und?«, kam es distanziert aus der Schwärze.
»Wir wollen ja nur wissen, wieso Sie hier schwer bewaffnet mit Panzern herumstehen! Droht Gefahr? Kommt der Russe? Oder der Ami? Sagt schon!«
Keine Antwort. Totenstille.
»Hallo?« Meine Stimme hallte unheimlich durch die Nacht.
Jeden Moment konnte irgendwo ein Schuss losgehen, und dann war es aus mit der Völkerverständigung.
»Seien Sie doch nicht so stur! Ich bin Deutsche! Ich bin eine Frau! Ich tu Ihnen doch nichts! Reden Sie doch mit mir!«
»Wir müssen Ihnen keine Auskunft geben!«
»Das sagten Sie bereits!«
Irgendwo raschelte es in den Feldern. Die Zigarette wurde ausgedrückt.
» WIESO sind Sie hier? Ist vielleicht der Chinese auf dem Vormarsch?«
»Das müssen wir Ihnen nicht sagen.«
»Aber Ihr KÖNNTET es mir sagen! Das würde die Sache hier vereinfachen!«
Pause. Nichts. Sie berieten sich leise.
»Also, ich komme jetzt mal eben rüber! Dann müssen wir nicht so schreien!« Schon wollte ich losmarschieren.
»Bleiben Sie, wo Sie sind!«
»Ach Kinder, ihr habt sie ja wohl nicht mehr alle! Dann gehen wir eben jetzt nach Hause! Aber die feine Art ist das nicht, was ihr da macht!«
Entschlossen stapfte ich mit geballten Fäusten davon. Dadgul und Anwar folgten mir mit eingezogenen Köpfen. Wir setzten uns in unser Vereinsauto, wendeten mit quietschenden Reifen und brausten davon.
»Arschlöcher!« Wütend schlug ich auf das Handschuhfach. »Und das nennen wir dann Friedenseinsatz!«
»Dazu schickt ihr Deutschen die Soldaten hierher?« Dadgul tippte sich an die Stirn. »Damit sie uns provozieren und beleidigen?«
»Ich muss mich selbst für meine Landsleute entschuldigen, Dadgul!« Plötzlich war mir zum Weinen zumute.
Eine Stunde später meldete sich Tadj wieder bei Dadgul. »Sie sind weg.«
Gut!, dachte ich. Und was wollten die?
»Außer Spesen nix gewesen«, sagte Dadgul, und zum
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