Drachenklänge
ausstatteten, die ein hohes Maß an Fachkenntnissen und Verantwortung erforderten. Und sein Erstaunen wuchs, als er sah, dass diese Frauen genauso 356
beim Fischfang mit anpackten wie die Männer. Die Arbeit war schwer und schmutzig. Wie schwer und
schmutzig, erlebte er selbst auf dieser Reise.
Zum Glück litt er nicht unter Seekrankheit. Er half, die Netze einzuholen, nahm Fische aus und lachte, wenn er über und über mit blutigem Schleim bedeckt war und man ihn aufzog, weil er entsetzlich stank.
Man traute ihm nicht zu, im Krähennest Ausguck zu halten, dafür durfte er in der Kombüse Suppe aufwärmen oder frisches Klah brühen.
Kasias Reich war natürlich die Küche, obwohl sie auch Fische ausnahm und einsalzte. Auf diese Weise fanden sie und Robinton viel Zeit, miteinander zu sprechen. Er verhielt sich möglichst diskret, versuchte indessen, die junge Frau ein wenig aufzuheitern. Eines Abends rückte er ganz dicht an sie heran, während sie gemeinsam Lieder sangen. Sein Bariton passte wunderbar zu ihrem ausdrucksstarken Sopran. Er lernte auch ein paar der beliebten Shanties, die den Fahrens-leuten die Arbeit kurzweiliger machten.
Seine wohl interessanteste Erinnerung an die auf See verbrachte Siebenspanne war eine Begegnung mit den Geleitfischen. Kapitän Gostol erzählte ihm, sie würden oft die Trawler begleiten.
»Da vorne schwimmt das alte Narbengesicht«,
rief der Schiffsführer und zeigte auf einen Fisch, dessen flaschenhalsförmige Nase ein Zickzackmuster
aus Narben aufwies. »Muss sich irgendwo verfangen haben.«
»Singen sie?« staunte Robinton, als er die Geräusche hörte, die die Fische beim Hochschnellen aus dem Wasser von sich gaben.
»Nein, diese Laute entstehen, wenn sie durch ihr Blasloch die Atemluft ausstoßen«, erklärte Gostol.
»Manch ein Mann, der über Bord ging, wurde von
diesen Fischen gerettet.« Mit dem Kinn deutete er in 357
Richtung Kombüse. »Kasias Verlobter hatte großes Pech. Der Sturm tobte zu heftig. Eine Schande. Er war ein guter Fischer, und sie ist ein nettes Mädchen.
Höchste Zeit, dass sie sich einen neuen Liebsten sucht.
Meinst du nicht auch, Robinton?« Ein listiges Lächeln erschien auf Gostols derbem, wind-und wettergegerb-tem Gesicht.
Robinton lachte. »Wenn man bedenkt, wie viele Burschen sich um ihre Gunst bewerben, dürfte sie nicht mehr lange allein bleiben.«
»Hoffentlich.« Gostol zeigte mit dem Finger auf
einen Geleitfisch. »Die da hat ein Junges bekommen, seit ich sie das letzte Mal sah. Siehst du den Fisch mit dem gesprenkelten Kopf?«
Der Geleitfisch sprang aus dem Wasser und schien eine Weile in der Luft zu schweben, ehe er anmutig wieder in die Fluten tauchte. Mit quietschenden, schnalzenden und klickenden Lauten begrüßte er die Menschen. Das Jungtier gab sein Bestes, um der Mutter nachzueifern.
»Sind es immer dieselben Fische, die in diesen Ge-wässern schwimmen?«
»Ich glaube schon. Einige sieht man immer wieder und kann sie an bestimmten Merkmalen gut erkennen.« Der Schiffsführer stieß einen Seufzer aus. »Ich beobachte sie für mein Leben gern. Manchmal«, fügte er hinzu und stützte sich mit den Armen auf der Reling ab, »könnte man glatt den Eindruck gewinnen, sie würden uns dorthin führen, wo sich die großen Fischschwärme versammeln.«
»Tatsächlich?« Auch Robinton lehnte sich über die Reling und bewunderte die springenden Geleitfische, die unentwegt Quietschtöne und knarzende Laute
ausstießen, als wollten sie ihm etwas in einer Sprache mitteilen, die er nicht verstand.
»Angeblich bringen sie den Seeleuten Glück«, sagte 358
Gostol. »Kein Fischer ignoriert sie. Von jedem Fang bekommen sie etwas ab.« Der Kapitän richtete sich auf und spähte angestrengt in die Ferne. »Aufgepasst! Na endlich! Wir segeln geradewegs in einen Schwarm
Bordos hinein! Erstklassiger Speisefisch. Lässt sich gut einsalzen.« Befehle brüllend, eilte er zum Bug, und die Mannschaft machte sich bereit, die Fangnetze herunter zu lassen.
An Steuerbord konnte Robinton tatsächlich den
Fischschwarm sehen. Die fetten, glatten Leiber waren grau gestreift, so lang wie sein Unterarm und mit stumpfen, glotzäugigen Köpfen bedacht. So viele Fische auf einmal hatte er noch nie gesehen. Sicher, als Kind hatte er während seines Aufenthalts in Burg Pierie geangelt, doch eine derartige Anhäufung von Fischen war ihm neu.
Wie konnten sie die Richtung ändern, ohne zusam—
menzustoßen? Hatten sie einen Anführer, wie manche
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