Drachenklänge
Sängerin aufmerksam im Auge, und zu ihrer Erleichterung sah sie, wie allmählich Farbe in ihre Wangen zurückkehrte. Und als sie zum Abschluss der Feier aufstand und einen Diskantpart sang, machte sie nicht mehr einen so erschöpften Eindruck wie zuvor.
Nach den musikalischen Darbietungen, als eine freie Fläche für das allgemeine Tanzvergnügen geschaffen wurde, suchte Lady Winalla, die Burgherrin von Fort, Betrice auf.
»Geht es der Meistersängerin Merelan nicht gut, Betrice? Als Grogellan und ich mit ihr sprachen, zitterte sie so stark, dass ich Angst hatte, ihre Hand los-zulassen.«
»Ich verabreichte ihr ein stärkendes Getränk«, erwiderte Betrice so unverbindlich wie möglich. Sie rechnete es Lady Winalla hoch an, dass sie sich Sorgen machte, doch das war eine Angelegenheit der Harfnerhalle und ging die Burg nichts an. »Sie legt ihre ganze Kraft in ihren Gesang, und das wirkt sich natürlich aus.«
»Hmm, gewiss doch, das wird es sein.« Winalla verstand den Wink und ließ Betrice stehen, um sich anderen Gästen zu widmen.
Als Merelan bald darauf an einer fiebrigen Erkältung und Husten erkrankte, schien Petiron der Einzige zu sein, der sich darüber wunderte.
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»Manchmal glaube ich, der Mann liebt sie nur wegen ihrer Stimme«, erklärte Betrice erbost, als sie nach einer Krankenwache am Bett der Sängerin in ihr eigenes Quartier zurückkehrte.
»Ihre musikalische Begabung spielt für Petiron gewiss eine wichtige Rolle«, räumte Gennell ein. »Außer ihr bewältigt keine die schwierigen Gesangspartituren, die er komponiert. Doch darüber hinaus bedeutet sie ihm sehr viel.« Er räusperte sich. »Vom ersten Augenblick an, als sie von Süd-Boll zu uns kam, um mit ihrer Ausbildung zu beginnen, war er von ihr hingeris-sen. Er vergötterte sie schon, als noch keiner von uns ahnte, welch überragendes Talent sie besitzt.« Er blickte in die Dunkelheit, die der matte Schein des Leuchtkorbs neben dem Bett nicht mehr erreichte und erinnerte sich an den Moment, als er zum ersten Mal die herrliche Stimme hörte. Die gesamte Harfnerhalle hatte innegehalten, um verzückt zu lauschen.
Betrice gluckste vergnügt, als sie unter die neue Pelzdecke kroch, ein Geschenk der frisch gebackenen Gesellen zur Sonnenwende. Die einzelnen Fellstücke waren zu einem wunderschönen Muster zusammen-genäht. Mit der Hand strich sie über die Umrandung aus seidenweichem Haar. »Noch nie zuvor habe ich einen so verliebten Mann gesehen. Er starrte sie nur an. Und sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Wenn er nicht ständig diesen mürrischen Zug um den Mund hätte, sähe er gar nicht übel aus. Zum Glück war Agust ihr Gesangslehrer, sonst wäre sie nicht über Wald-und Wiesenliedchen hinausgekom-men.«
»Ich weiß noch, wie Petiron dauernd im Hof herumlungerte und ihr beim Proben zuhörte, als hätte er nichts anderes zu tun«, meinte Gennell und streckte den Arm aus, um den Leuchtkorb zu schließen. Ge-dankenverloren tätschelte er Betrices Schulter, dann 18
klopfte er sein Kissen zurecht, ehe er den Kopf darauf legte.
*
Gerade als Gennell dachte, er hätte die Frage geklärt, welcher Geselle wohin geschickt würde, verlangten weitere Burgherren nach ausgebildetem Personal, das ihm indessen fehlte. In diesem strengen Winter konnte man es den Gesellen nicht zumuten, von einer
Burg zur nächsten zu ziehen und überall nur vier Siebenspannen zu bleiben. Eine gleichmäßige Vertei-lung ihrer Dienste kam wegen des schlechten Wetters nicht infrage. Allerdings stand jeder Familie das Recht auf Unterricht und Bildung zu. Man musste
ihnen die Lehrballaden beibringen, damit jeder seine vom Gesetz festgelegten Ansprüche und Pflichten
kannte.
Er sehnte sich nach den Zeiten, die mittlerweile Hunderte von Planetenumläufen zurücklagen, als die sechs Weyr von Pern den bedeutendsten Hallen und Felsenfestungen Drachen für Transportzwecke bereit-stellen. An der Ostküste gab es immer noch den Benden Weyr, und Lord Maidir konnte per Drache selbst die entlegensten Burgen und Versammlungen besuchen, wann immer ihm der Sinn danach stand. Doch der Fort Weyr war seit über vierhundert Planetenumdrehungen verwaist, und keiner wusste so recht, warum.
Gennell hatte Einsicht in die Berichte genommen, die in den Archiven der Harfnerhalle und Burg Fort aufbewahrt wurden, und lediglich einen einzigen knappen Eintrag entdeckt, der kurz nach dem letzten Vorbeizug des Roten Sterns stattfand.
»Am fünften Tag des siebenten Monats im
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