Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
nicht fassen.
“Aber sicher.”
“Du bist ein Aas!” Flakke knirschte mit den Zähnen.
“Und du ein widerlicher Affe!” fauchte Hendrikje zurück.
Flakke hat sich absolut nicht geändert, dachte sie wütend, immer noch dieser arrogante Fiesling, der eine Frau verläßt, nur weil er auf einer ausgespuckten Qualle ausgerutscht ist! Der mit seinem penetranten Ordnungsfimmel.
Auf einmal standen ihr wieder die Tränen in den Augen. Das hatte sie sich alles ganz anders vorgestellt. Nach dem Erlebnis und der Enttäuschung mit Goff war Ireas Flakke in ihrer Erinnerung beinahe zum Halbgott geworden, dieser starke und gewandte Mann, der es verstand, eine Frau so behutsam anzufassen wie eine zarte Blume, wenn er es nur wollte…
Hendrikje zerrte das Etui mit dem Nährgelee aus der Brusttasche und warf es Flakke zornig vor die Füße. “Hier, du Ekel! Stopf sie dir sonstwohin!” Dann drehte sie sich um und rannte heulend in ihre Kajüte.
Eine Stunde später kann sie bereits über sich selbst lachen. Ich werde alt, denkt sie bekümmert, früher hätte ich tagelang gelitten – heute dauert es nur noch ein winziges Stündchen… Dann starrt sie wieder durch das Bullauge auf die leise vibrierenden Segel des Drachenkreuzers.
Plötzlich vermeint sie den Atem eines Menschen zu hören. Es ist schon mehr ein böses Schnaufen, was da von der Anwesenheit eines Fremden zeugt. Hendrikje fährt herum und zuckt erschrocken zusammen. “Soso – ich bin also ein Rindvieh…”
Flakke steht an die Kabinenwand neben der Tür gelehnt und fährt sich mit der Hand durch das graue Stoppelhaar. Die Falten in seinem Gesicht sind scheinbar tiefer und schärfer als gewöhnlich, und er hat das Kinn in einer seltsamen Mischung aus Stolz und Nachdenklichkeit vorgereckt.
“Wie kannst du es wagen, ohne anzuklopfen…” Hendrikje ist ob solcher Unverfrorenheit schier sprachlos.
Flakke winkt ärgerlich ab. “Für den Kapitän gibt es keine verbotenen Türen, daran mußt du dich gewöhnen. Du bist hier auf einem Drachenkreuzer und nicht im Mädchenpensionat. Außerdem…, ich dachte, du seist bei Quadrangel wegen der Psychogramme.”
“Ach so, du wolltest nur ein bißchen in meinen Sachen herumschnüffeln”, entgegnet sie spitz, “das solltest du aber besser diesem Goff überlassen, das ist nichts für Amateure!”
Sein Unterkiefer bebt vor Zorn. Flakke zieht das Quallenetui aus der Hosentasche und knallt es wütend auf den ausgeklappten Tisch. “Hier, du dumme Gans, deswegen bin ich gekommen – ich Rindvieh wollte mich bei dir entschuldigen, stell dir das vor!” Dann wendet er sich brüsk um und verläßt ihre Kajüte.
Hendrikje braucht eine Weile, um zu begreifen, was eigentlich vorgefallen ist.
Sie muß so in Gedanken versunken gewesen sein, daß sie Flakkes Eintreten überhaupt nicht wahrgenommen hat. Vielleicht kam er ausgerechnet in diesem Augenblick, als sie “Rindvieh!” flüsterte. Oje, das muß ihn getroffen haben, dabei wollte er sich entschuldigen, der gute Ireas…
Hendrikje fingert eine Qualle aus dem Behältnis und lutscht.
Warum haßt er mich nur so? fragt sie sich traurig. Nur, weil ich etwas schlampig bin? Mein Gott, das ist doch jeder Mensch, der eine auf diese und der andere auf jene Weise, der eine geht unordentlich mit seinen Gedanken um, der zweite mit seinen Gefühlen – da bin ich ganz harmlos; ich vergesse eben nur manchmal, an welchem Platz welches Ding zu liegen oder zu stehen hat. Das ist doch wirklich nicht tragisch. Dabei gebe ich mir Mühe, das hat sogar Ergar bemerkt, der sonst nur seine edlen Gedankengänge unterbricht, wenn ein Urbanidum einstürzt oder zwei Planeten zusammenstoßen… Angenehme Melancholie befällt Hendrikje.
Sie wollte Ireas Flakke bestrafen. Er sollte bei ihrem Anblick auf die Knie fallen und um Vergebung bitten für alles, was er ihr damals angetan hat. Wie eine Fee wollte sie in den Drachenkreuzer schweben, und die Blicke der Männer, die sie unterwegs trafen, gaben ihr Mut. Verzehren sollte er sich nach ihr – aber Flakke sprach verächtlich von einem Karnevalskostüm. Wie muß eine Frau denn sein, damit dieser Mann seinen beschissenen Verstand vergißt und sich so herrlich dämlich benimmt wie alle anderen verliebten Männer?
Halt! befiehlt sich Hendrikje. Die Briefe! Damals war er doch total verrückt nach mir; damals… Wie war ich denn damals? Da war ich jünger…
Ihr kommen die Tränen. Sie laufen an den Nasenflügeln herab und benetzen salzig ihre Lippen.
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