Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Hendrikje schluchzt laut auf. Ja, er ist, ja gekommen, um sich zu entschuldigen! Aber verdammt noch mal – kann dieser Mann nicht wenigstens einmal in seinem Leben das Knie beugen? Sie wäre ihm jubelnd um den Hals gefallen!
Aber nein – Ireas Flakke hat wohl Angst, ihm könnte der Kopf von den Schultern fallen, wenn er sich beugt! Dieses Rindvieh!
Kosmander Flakke steigt in den Lift und fährt zwei Decks tiefer hinab. In wenigen Minuten überfliegt die Ikaros erneut die Ruinen der Forschungsstation Nabuthot. Diesmal will er von Anfang an dabeisein. Hoffentlich gelingt es mir, mich halbwegs zu konzentrieren, denkt er wütend, wenn nicht, muß Quadrangel mir was geben, vielleicht sollte ich doch mal dieses Toka-Toka probieren.
Seit Hendrikje Greiff an Bord des Drachenkreuzers ist, hat eine krankhafte Unruhe Flakke befallen. Wie ein Fieber glüht es in ihm, und wenn er Hendrikje sieht, lohen sengende Flammen aus der Vergangenheit auf, Erinnerungen an ein Gefühl, das ihn fast um den Verstand gebracht hätte. Was war das nur damals? Obwohl es wieder so deutlich ist in ihm, als wären nicht Jahre vergangen, sondern nur Tage, ist Flakke immer noch rätselhaft, welche Ursachen dieses heiße Verlangen hat, das auch nun wieder über ihm ist, ihn betäubt, lähmt. Damals ist er vor sich selbst geflohen, als ihm bewußt wurde, daß da ein halbes Kind war, wo er eine Frau zu finden glaubte. Und wie erschrak er vor sich selbst, als er sich in einem ganz geheimen Winkel seines Gehirns eingestehen mußte, daß er doch eigentlich dieses Kind wollte, dieses frische, noch nicht verbrauchte und vom Alltag verschlissene Wesen mit seiner naiven, ehrlichen Sicht auf die Dinge, mit seiner Unbekümmertheit und seinem Trotz. Vielleicht floh er auch vor der Gewißheit, an der Seite Hendrikjes miterleben zu müssen, wie aus dem lieben Kind eine erwachsene Frau wird, davor, sehen zu müssen, wie ein Traum im Grau des Alltags seine Farben nach und nach verliert… So wird es wohl gewesen sein, denkt Flakke, ich hatte Angst, eines Tages aus dem Rausch zu erwachen, und als die ersten kleinen Signale der Gewohnheit wie Weckerklingeln in den Traum hineinschrillten, da habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten. Schluß jetzt damit! Ich darf gar nicht erst anfangen, mich selbst zu bemitleiden; Selbstmitleid ist wie ein Laster – man kommt nicht mehr los davon.
In der Bordklinik empfängt ihn eine unangenehme Überraschung. Hermel Goff steht neben dem Arzt und lauscht interessiert dessen Erklärungen.
Widerstrebend gibt er dem Mops die Hand und bemerkt beiläufig: “Ich dachte, Sie lägen in Ihrer Koje…”
Goff verzieht das Gesicht zu einem schiefen Grinsen und sagt: “Doktor Quadrangel hat eine wunderbare Apotheke, dreimal sechs Tropfen täglich von diesem komischen Kleister”, er hält ein Fläschchen hoch, “und aus der Kosmosscheu ist eine richtige Kosmophilie geworden…, ehrlich, ich wußte bis jetzt nicht, wie schön Fliegen sein kann.”
Quadrangel runzelt die Stirn und bemerkt etwas hochnäsig: “Dieser komische Kleister heißt Phoboplegin, Herr Kollege.”
Flakke stellt erneut fest, daß dieser Goff bei Quadrangel einen Stein im Brett haben muß, die Zurechtweisung wäre sonst um einiges schärfer ausgefallen.
Skamander und Ellis haben sich bereits auf den Liegen ausgestreckt und sind auch schon an den Encephalovisor angeschlossen. “Wie geht's den beiden?” fragt Flakke, aber bevor der Bordarzt antworten kann, stöhnt Skamander auf: “Ich spüre sie schon, Kosmander, sie kommen wieder, sie sind schon ganz nahe…” Auf seiner Stirn haben sich kleine Schweißtröpfchen gebildet, und seine Augen sind starr zur Decke gerichtet.
Flakke nickt mitleidig, dann ruft er die Brücke. “Styx! Denken Sie daran: Alles wird aufgezeichnet, und lassen Sie die Hundertstelkennung mitlaufen, wir müssen die Quelle der Beeinflussung exakt orten können!”
“Geht klar, Kosmander!” Das Katergesicht verschwindet wieder vom Bildschirm.
“Und Sie meinen, das geht, Doktor?” Flakke wendet sich zweifelnd an den Bordarzt.
Quadrangel schnippt sich ein unsichtbares Staubkörnchen vom Ärmel und verzieht die Kurven in seinem Gesicht. “Wir müssen davon ausgehen, daß die Quelle ungerichtet sendet. Wenn das Medium in irgendeiner Weise gebündelt ist, dann klappt es allerdings nicht…”
“Verstehe. Sie gehen davon aus, daß die höchste Intensität auf der kürzesten Entfernung zur Quelle auftritt.”
“Genau.” Quadrangel macht
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