Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
gebrauchen. Und er erinnert sich auch daran, daß Marigg ihm von gewissen Insektenarten erzählt hat, die ihre Eier in das Fleisch des Baumes legen, und daran, daß irgendein Wirkstoff der Insekten Platten und Stiele aus dem Holz wachsen läßt. “Das ist vielleicht eine Innenarchitektur!” hatte er damals spöttisch eingeworfen, und Marigg hatte erwidert: “Nein, das ist nicht Architektur, das ist wie ein Spiel mit Glasperlen, die man auf den Boden wirft, um sich an dem zufällig entstehenden Muster zu erfreuen. Man muß die Bilder nur sehen wollen, die daraus entstehen. Man muß es wollen!” Und dann hatte er noch gesagt: “Ihr Terraner seid anders. Ihr sucht nicht, was ihr sehen wollt, ihr schafft es euch…”
Goff entdeckt den nächsten Durchgang. Dieser ist noch kleiner, er muß sich fast auf alle viere niederlassen, um hindurchzukommen. Außerdem geht es nun aufwärts, und der Durchlaß ist eigentlich eher ein kurzer Tunnel.
Herrschten in den ersten beiden Kavernen dunkle, matte Farbtöne vor, vor allem Braun und Grün, so ist der nächste Raum trotz der geringeren Anzahl von Fenstern licht und hell. Die Kammer ist gelb wie eine Banane und auch so geformt. Goff sieht erstaunt einige kleine porenartigeÖffnungen, aus denen Wasser sickert, und darunter eine schwammartige Struktur, die das Wasser wieder aufsaugt. Eigentlich fehlt hier nur die Videowand, denkt er verblüfft, aber es würde mich nicht wundern, wenn dieser Baum auch so etwas bietet.
Vielleicht ist es dieser Gedanke, der ihm in der nächsten Höhle diese seltsamen Halluzinationen eingibt. Der Raum ist wie ein weiches Federbett, und Goff hat Mühe, sich zu orientieren, weil es überall nur flauschig ist. Aber das ist es wohl nicht, was ihn ins Träumen geraten läßt – es sind wohl mehr die aromatischen Düfte, die ihm bis unter die Stirn dringen und ihn an seltsame Dinge denken lassen.
Er hat auf einmal das Gefühl, selbst ein Teil dieses Baumes zu sein, und hört ein Knarren und Schaben, als ob er seine Wurzeln in den Boden bohren würde. Dann fühlt er, wie jemand in ihn dringt, und er fühlt auch dessen Gedanken und wie sich diese ändern, sich seinen eigenen angleichen. Das ist Goff, der da in ihn eindringt, Goff, wie er ihn noch nie gesehen hat: ein armseliges, schutzsuchendes Wesen, dem er Zuflucht gewährt.
Ja, es sind wohl die aufregenden Gerüche in diesem kuschligen Raum, denn schließlich gibt es hier keine intellektronischen oder psychotronischen Geräte… Goff denkt kurz, daß die Natur so etwas durchaus auch zuwege bringen könnte, immerhin haben die Elloraner die eigenartige Fähigkeit entwickelt, Empfindungsströme zu senden und zu empfangen – aber an hypnotisch veranlagte Pflanzen mag er nicht glauben. Nun lockt erst recht die nächste Öffnung, die noch tiefer in den Baum hineinführt.
Weiß der Himmel, was ich mir davon verspreche, denkt Goff, aber diese ungewisse Erwartung vermag er damit nicht zu unterdrücken.
Seine Erwartungen werden auf unvorstellbare Weise übertroffen. Womöglich sind es wieder die Düfte. Diesmal nicht süßlich, verführerisch, sondern herbe und klare Gerüche, die seine Gedanken in Bahnen lenken, die ihm wenig willkommen sind. Der Raum ist klein und dunkel, wie eine Grabkammer… Da sind sie wieder, die Gedanken an den Tod… Goff läßt sich seufzend in die weichen Fasern sinken und hat wieder seltsame Visionen: Er stellt sich vor, er sei schon tot, und Golonna würde die Totenrede halten. Selbstverständlich hat er Rikkitikkitavi bekehrt und ihm sein Vermächtnis hinterlassen. In anrührenden Worten schildert Golonna Goffs Kampf um die Verwirklichung seiner Ideale, stellt den edelmütigen und selbstlosen Charakter Hermel Goffs heraus, zeigt sich zutiefst beeindruckt von dessen Vertrauen, gerade ihm die Vollendung seines Werke anzuvertrauen. Hendrikje sitzt auch unter den Trauernden und schluchzt ergriffen. Alle schluchzen, alle betrauern zutiefst den so frühen Tod eines großartigen Menschen.
Goff heult. Erst als er es merkt, verschluckt er sich. Dann steigt etwas in ihm empor, schüttelt ihn, preßt ihm die Luft aus der Lunge – ein Kichern, das zu einem gewaltigen Lachen anschwillt und ihn erst nach Minuten wieder verläßt… Immer noch zuckt ein letzter Rest dieses Gelächters durch sein Gehirn, als er den langen, sich verengenden Gang in die Krone des Baumes hinaufkriecht.
Es ist hier stockdunkel, und er muß sich voll und ganz auf seinen Tastsinn verlassen. Um so erstaunter
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