Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
finde es schade, daß Sie diese rubingefaßte Perle nicht mehr tragen. Das paßte irgendwie zu Ihnen.” Er schweigt.
Hendrikje aber fragt erneut, obgleich ihr eine innere Stimme gebietet, nicht auf Antwort zu drängen. “Wie meinen Sie es dann: Ich wäre eitel?”
“Vielleicht merken Sie es nicht einmal”, murmelt Skamander nachdenklich und lehnt sich zurück. Fast will es ihr scheinen, als legte er damit eine demonstrative Distanz zwischen sich und sie. “Vielleicht ist das die terranische Art”, fährt er fort, “immer nur an sich zu denken, die Gefühle anderer nur danach zu bewerten, in welchem Maße man selbst davon betroffen ist oder nicht. Vielleicht ist es auf der Erde so üblich, daß man sich selbst als das Zentrum aller Wirkung und die Umwelt als das Ereignisfeld betrachtet. Vielleicht stört es mich einfach, daß Sie nicht so sind, wie ich es mir gewünscht hatte…”
Hendrikje stutzt. Nicht etwa, weil sie nun weiß, was er ihr vorwirft, sondern vielmehr, weil sie ihn auf für sie so unfaßbare Weise enttäuscht haben muß. Und sie empfindet beinahe Schmerz deswegen. “Wie sollte ich denn sein?” fragt sie atemlos, wirklich gespannt darauf, welches Bild dieser Mann vor Augen hat.
Skamander greift nach ihrer Hand und spielt wie gedankenverloren mit ihren Fingern.
Hendrikje läßt es geschehen, und sie empfindet diese zaghafte Berührung viel stärker als die gelegentlichen Überfälle Ergars oder die fleißigen Bemühungen Goffs.
“Ehrlich”, sagt Skamander, weiter nichts. Aber das bin ich doch, will sie erwidern, aber rechtzeitig erkennt sie, daß Skamander diese Antwort nicht akzeptieren kann. Ja, ich bin ehrlich
– mir selbst gegenüber, begreift sie, aber oft ist es so, daß diese Art der Ehrlichkeit diejenige anderen gegenüber auszuschließen scheint. Auf einmal weiß Hendrikje ganz genau, was sie will und daß sie es will. “Sind Sie auch eitel, Skamander?” fragt sie und schließt ihre Finger um seine kosende Hand.
Skamander zuckt nur die Schultern.
“Sind Sie beleidigt, wenn ich Ihnen sage, daß ich stolz wäre, von Ihnen geliebt zu werden – aber dieses Gefühl nicht erwidern könnte?”
Für Sekunden wird Skamanders Hand kalt und steif. Und während dieser wenigen Sekunden denkt Hendrikje: Warum, zum Teufel, kann ich diesen Mann nicht lieben, und warum will ich ihn trotzdem ganz für mich allein? Sie begreift auch sofort, daß sie zu weit vorgeprellt ist: Skamanders Antwort kann alle ihre Hoffnung zerschlagen… “Was wollen Sie eigentlich von mir, Hendrikje?” fragt er spröde, doch seine Hand ist wieder warm, und seine Finger drücken unentschlossen zu.
“Achtung, Verständnis und… Vertrauen”, sagt sie leise. “Mehr nicht?” fragt er, und Hendrikje wehrt sich gegen das Gefühl der Enttäuschung. “Nicht weniger”, antwortet sie.
“Hm”, knurrt er verdrießlich und sagt: “Warum sollte ich Ihnen verweigern, was jeder, der es nur will, von mir bekommen kann… Und was erhalte ich dafür?” Er versucht einen scherzhaften Ton.
Hendrikje spürt aber deutlich, daß er eine ernste Antwort erwartet. “Ich kenne Sie erst wenige Stunden, Skamander”, flüstert sie, “doch ich würde Ihnen geben, was Sie wünschen, nur um in Ihrer Nähe bleiben zu dürfen… Vielleicht hätte ich sogar auch Spaß daran, vielleicht aber wäre es für uns beide furchtbar…”
Hendrikje weint. Das erstemal in ihrem Leben sieht sie sich in der fatalen Lage, lieben zu wollen, aber nicht zu können. Was ihr den Wunsch – den Willen geradezu – eingibt, vermag sie ebensowenig zu sagen wie den Grund des Unvermögens. Dieser Zwiespalt ist einfach da, ohne Erklärung oder Begründung. Skamanders Hände streicheln sie ängstlich, beinahe verschreckt. Sie lehnt sich an ihn und schluchzt. Sie wehrt sich auch nicht, als er den Reißverschluß ihres Schmeichelmoosoveralls öffnet und mit einer Zartheit über die nackte Haut ihrer Brüste streicht, wie sie es von Männerhänden nie erwartet hätte. Lust und Widerstand werden eins in ihr. Aber nein – ist es denn wirklich Lust, dieses Bedürfnis nach Wärme und Geborgenheit, und ist es denn Widerstand, dieser Glaube, es müsse immer nur ein wildes, schrilles Kreischen sein, was den Körper schüttelt, ist es nicht vielmehr so, daß man es gar nicht benennen kann, was einen sanft oder brutal am Herzen oder am Verstand packt und fortträgt, ganz weit fort?
Hendrikje kommt kurz zu sich, als Skamander fragt: “Willst du es wirklich?”
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