Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
sprechen. Das ist bei jedem anders, und wenn man es kann, das Hören und Sehen, dann findet man meist auch eine gemeinsame Sprache. Das ist wichtig! Nicht irgendeine edle Aufgabe, von denen es sicher viele gibt. Meine Aufgabe, meine Arbeit ist auch etwas Großartiges – schauen Sie hinaus, blicken Sie auf die Ikaros, wie sie dahinschwebt über einem gierigen Feuerball, der mit heißen Zungen nach uns leckt, Plasmaladungen nach uns schleudert, der uns vernichten will, töten, auslöschen – uns alle…”
Hendrikje blickt nach unten und sieht lauter kleine dunkle Punkte, wie Löcher oder Strudel, in der flirrenden Hitze der brodelnden Sonnenfläche. “Sind das etwa die Bomben?” fragt sie erstaunt und ein wenig enttäuscht, denn sie hatte ein wahres Inferno erwartet.
“Was denn sonst?” antwortet Skamander unfreundlich, wohl weil er das Ablenkungsmanöver durchschaut. Dann aber reißt er sich deutlich spürbar zusammen und erklärt sachlich: “Das sieht nur von hier oben so harmlos aus, sind immerhin über zehntausend Kilometer.”
Stimmt, denkt Hendrikje, aus gewisser Entfernung betrachtet, sieht alles harmloser aus, erst wenn man dicht dran ist an den Ereignissen und Menschen, wächst die Bewegung der Dinge plötzlich ins Riesenhafte, dann weichen grobe Strukturen filigranen Beziehungsmustern, dann wird vieles verblüffend unverständlich, was vorher klar und einfach schien.
Diesen Skamander hat sie bisher ganz falsch eingeschätzt – Hendrikje wird es mit tiefem Erschrecken klar. Nicht der Fakt als solcher erschüttert sie so sehr, sondern der Umstand, daß dieser eine Irrtum nur die Spitze eines Eisbergs von Fehlern zu sein scheint. Die Psychogramme sagen über den Mann, er sei zuverlässig, diszipliniert, bescheiden bis zur Anspruchslosigkeit. Alles in allem also ein nicht übermäßig bemerkenswerter, weil von Widersprüchen kaum geprägter Charakter. Sicherlich gehören diese Eigenschaften zu Skamander. Aber Hendrikje wußte nichts von seiner Fähigkeit zur Leidenschaft, noch weniger von seinenÄngsten und gar nichts von seinen Wünschen ans Leben.
In ihr erwacht ein ganz und gar undienstliches Interesse an diesem Kerl, den ihr ausgefallener Phänotyp allem Anschein nach absolut kalt läßt, der wohl nicht einmal das grünliche Glitzern auf ihren Augenbrauen wahrnimmt.“Alle Wantentrailer sofort zurück an Bord!” Flakkes Stimme klingt erregt.
Hendrikje sieht, daß Skamander erstaunt die Stirn runzelt. “Da braut sich was zusammen, wie es scheint”, murmelt er und bestätigt dann den Befehl.
Dann tönt eine andere Stimme durch die winzige Kanzel des Trailers. Hendrikje erkennt an dem etwas schrillen Klang Skagit.
“Es geht los, Jungs! Die Sonne schüttelt sich – genauso, wie ich es berechnet habe. Aber keine Angst, das sind erst die Vorbeben. Sie versetzt uns nur eine Kopfnuß.”
“Jetzt werden sie ihm wohl doch glauben”, sagt Skamander, ohne daß Hendrikje versteht, was er meint, aber sie hat deutlich Furcht aus der Stimme herausgehört. Ein eigenartiges Gefühl beschleicht auch sie. So dicht neben dem vibrierenden, schwingenden Koloß aus glutheißem Plasma, fühlt sie das erstemal, wie schwach und empfindlich das Leben ist.
Der Wantentrailer stürzt auf den Backschacht zu, geleitet von einem blauen Laserstrahl, und als der Riesenleib des Drachenkreuzers ihren Sinnen wieder wahrnehmbare Grenzen setzt, fühlt sie sich eine Weile sicher und geborgen. Erst als sich Skamander von ihr verabschiedet, wird ihr bewußt, wie allein sie auf der Ikaros ist und daß diese Einsamkeit alleÄngste und Sorgen geradezu potenziert und der Eindruck von Geborgenheit eine Fata Morgana ist.
“Bitte”, sie hält Skamanders Arm fest, “bitte, ich habe noch einige Fragen. Kommen Sie mit in meine Kabine?”
Hendrikje spürt, wie ihr das Blut zu Kopf steigt, denn der Mann hat das Zittern in ihrer Stimme offenbar falsch ausgelegt. Ein erstauntes Leuchten tritt in seinen Blick, und daraufhin zittern Hendrikje nun sogar die Knie, weil dieses Leuchten Skamanders Gesicht aus dem Dunkel ihrer Gleichgültigkeit hebt und ihr mit einem Schlag bewußtmacht, daß diese ungeschminkten Lippen, die ungefärbten Jochbeine, der ohne Kosmetik auskommende Nasenrücken und die glatte, energische Stirn ein Bild eigenartiger, weil ungewohnt natürlicher Schönheit ergeben. Anfangs schienen ihr die Leute hier blaß und farblos, gelegentlich hatte sie sogar Mühe, sie auseinanderzuhalten. Jetzt aber wird ihr bewußt, daß
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