Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
könnte Verwirrung stiften.”
Hendrikje hat sich die Decke bis zum Kinn gezogen und starrt überrascht auf Goff. Sie hatte irgendeine gehässige oder spöttische Bemerkung erwartet, aber Hermel Goff bleibt ruhig, beinahe eiskalt, will ihr scheinen.
Skamander kleidet sich mechanisch an. Mehrmals setzt er zum Reden an, schüttelt aber nur den Kopf und schlüpft in seine Stiefel. “Und was nun?” fragt er schließlich, an Hendrikje gerichtet.
Hendrikje will ihn erst bitten zu bleiben, sie hat Angst vor Goff. Aber da ist noch etwas Stärkeres als diese Angst. Außerdem kommt Goff ihr zuvor: “Ganz einfach. Jetzt gehst du, ich habe mit Hendrikje unter vier Augen zu reden.”
Skamander lacht kurz auf und sagt: “So nicht, Hermel Goff. Hier bestimmt nur einer, was gemacht wird, und das ist Hendrikje.” Dabei sieht er sie erwartungsvoll an.
Hendrikje weiß nicht zu sagen, warum, aber sie weicht seinem Blick aus und schweigt. Ihre Gedanken quirlen durcheinander, bohren sich wie Schrauben durch den Schädel und verschwinden in einer dunklen Zimmerecke. Zurück bleibt eine ängstigende Leere. “Na gut, keine Antwort ist auch eine Antwort, sagt man wohl.” Skamander dreht sich um.
Hendrikje spürt, wie sich die Leere in ihrem Kopf mit Tränen der Verzweiflung füllt. Aber sie kann einfach nicht, sie kann ihn nicht zurückhalten.
“Du hast noch einen weiten Weg bis zu dir selbst, Hendrikje”, murmelt Skamander. In der Tür wendet er sich noch einmal um, und in seinen Augen ist wieder dieses Leuchten. “Wenn du unterwegs mal jemanden brauchst, bei dem du ausruhen kannst, dann komm zu mir…”
Minutenlang schweigen sie, als Skamander gegangen ist.
“Er hat schon recht”, sagt Goff schließlich und starrt dabei aus dem Bullauge, “es ist noch ein weiter Weg, weil du dich noch gar nicht für die Richtung entschieden hast. Als Raststelle bin ich wohl nicht sehr geeignet, nicht wahr?”
Hendrikje betrachtet ihn. Goff hat die schönen mandelförmigen Augen halb geschlossen, so wie Ergar es bisweilen tut, und er nagt an seiner Unterlippe. “Und ich kann und darf dich auch nicht mehr bitten, mich auf meinem Wege zu begleiten, denn der führt geradewegs in die Hölle…”
Hendrikje richtet sich erstaunt auf, und als sie die zurückrutschende Decke über der Brust zusammenrafft, wird ihr gleichzeitig die Albernheit dieser Geste bewußt. Doch irgendwie empfindet sie eine unerklärliche Scham, ungeachtet dessen, was sie mit Goff erlebt hat. “Was sind das für Töne, Hermel Goff?” fragt sie rauh. “Ich denke, du marschierst geradewegs in die lichte Zukunft?”
Goff zuckt herum, und Hendrikje weicht unwillkürlich ein wenig zur Seite. Aber er brüllt nicht los, funkelt sie auch nicht an. Er stöhnt nur traurig. “Warum willst du mich nicht verstehen? Aber diesmal habe ich etwas anderes gemeint. Irgendwann wirst du es schon erfahren, irgendwann einmal…”
In Hendrikje vibriert es wieder. Es ist anders als bei Skamander. In dessen Nähe spürt sie Ströme von Wärme und Ruhe in sich, Goff ist wie Elektrizität. Das knistert und blitzt in ihr, da springen Funken auf, und da zischen Lichtbögen in ihre Gefühle. Jede Geste, jeder Blick löst prasselnde Entladungen aus. Sie muß es ihm einfach sagen, wenn auch der Augenblick nicht gerade geeignet erscheint – sie muß es loswerden. “Der Mutter deines Kindes solltest du es nicht irgendwann sagen, sondern jetzt”, verlangt sie, und noch immer hat sie dieses scheußliche Kratzen im Hals.
“Hä?” Goff starrt sie entsetzt an. Dabei reißt er die Augen so weit auf, daß sie wie Marmorkugeln schimmern. So fassungslos hat sie ihn noch nie gesehen.“Ja, Hermel, wir werden ein Kind haben – du und ich…” Goff packt sie bei den Oberarmen und schüttelt sie heftig. “Was hast du getan, Hendrikje!” schreit er sie erschrocken an. “Du hättest mich fragen sollen, bevor du eine Genkombination beantragst! Wie bist du überhaupt an meinen Genkode herangekommen – und wer hat das genehmigt? Beim Großen Sirius, Hendrikje! Weshalb hast du das getan?”
Hendrikje stürzt in eisige Kälte. Sie läßt sich willenlos rütteln und schütteln, alle Kraft ist aus ihr gewichen, und wieder ist da nur Leere.
“Wir müssen sofort das Nesturbanidum benachrichtigen, Hendrikje!” Goff spricht hastig und eindringlich. “Hoffentlich läßt es sich noch rückgängig machen. Oh, Hendrikje, was hast du bloß getan!”
Da wächst eine ungeheure Wut in ihr. Dieser Feigling!
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