Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
hinzu.
“Ja… wir… drei…” Er streicht zärtlich über ihren Bauch.
“Was wird es werden: ein Mungo…, ein Glump?” Hendrikje befällt ein fiebriges Zittern.
“Wenn es ein Glump wird, können wir ihm gleich helfen.” Goff hat endlich das richtige Sprachtempo gefunden. “Wird es ein Mungo, helfen wir ihm später… Quadrangel hat in der kurzen Zeit, die ihm noch blieb, einige interessante Ideen ausgearbeitet. Der Mann hätte Großes leisten können, wenn er nicht solch ein Einzelgänger gewesen wäre. Immerhin hat er jede Pause in den Meßsendungen genutzt, um uns seine Ergebnisse zu übermitteln. Der allerletzte Funkspruch der Ikaros kam von ihm… In dem Rauschen war kaum noch etwas zu verstehen…” Goff versagt die Stimme, und Hendrikje fühlt an seinem Hals die Schlagader hart pochen.
Goff streichelt ihr Gesicht und stutzt plötzlich, als sein Daumen die rubingefaßte Perle in ihrem Nasenflügel berührt. “Du hast sie immer noch?” fragt er verdutzt.
“Das ist auch ein Denkmal”, sagt Hendrikje ernst, “ein Andenken an Stotzner, an Skamander. Ich werde es immer bei mir haben, solange ich lebe. Es hat keine Augen, keine Nase, keinen Mund – aber es hilft mir, Gesichter besser zu erkennen, Gesichter von Lebenden… Es erinnert mich an die Aufgaben, die vor uns liegen, an die Mühen und Opfer…”
“Ja, die Mühen und Opfer… Mancher wäre wohl erleichtert, wenn auch ich zu den Opfern zählte, wenn ich meinen Mund endlich für immer halten würde”, sagt er finster.
“Hermel! Was soll das heißen?” fragt sie verwirrt.
“Sie wollten das Komposit nicht freigeben, weil es eben nicht bei jedem wirkt. Außerdem seien Nebenwirkungen und Spätfolgen zuwenig abgeklärt. Dabei gibt es Hunderttausende, die nach keinerlei Nebenwirkungen fragen, weil sie einfach leben wollen…”
“Ja, aber man kann doch nicht einfach…”
Goff fährt ihr schneidend ins Wort: “Es geht überhaupt nicht um irgendwelche medizinischen Bedenken! Weißt du, was es bedeutet, die Akzeleration des Krankheitsverlaufs zu stoppen? Einer von den Gerontologen hat das wirkliche Problem auf den Tisch gepackt: Der gute Mann vermutet, aus dem Komposit könnte man bei einigem Glück so etwas wie das Wasser des Lebens machen, also Unsterblichkeit, zumindest aber Langlebigkeit erzeugen. Da wollte unser Chef den Einsatz sofort verbieten. Die Sache hat nämlich folgenden Haken: Vorläufig können wir die Beschleunigung der Organfunktionen nur stoppen, nicht aber rückgängig machen. Wir können den Mungos im ersten Stadium also ein herrliches Leben voller Tatkraft und Energie schenken. Bisher löste sich das Problem teilweise auf rein biologischem Weg – irgendwann, und zwar sehr früh, sterben sie. Jetzt aber wird aus den Mungos eine echte Art entstehen, ein Volk, eine neue Menschheit, denn sie müssen nicht mehr sterben, nicht alle. Die eigentlichen Probleme ergeben sich erst, wenn wir das noch nicht ausgereifte Komposit freigeben.”
“Und was habt ihr nun entschieden?” fragt Hendrikje atemlos.
“Ha! Wir haben gestritten, daß die Fetzen flogen, und dann abgestimmt: für das Komposit! Es wird freigegeben!”
“Und du, wofür hast du gestimmt?”
Goff nimmt ihren Kopf in beide Hände und schaut ihr kopfschüttelnd ins Gesicht. “Da fragst du noch? Du müßtest mich doch kennen: natürlich für die Freigabe!”
“Wie wollt ihr das alles schaffen…? Die vielen Mungos…, ihre Bedürfnisse, Forderungen…”
“Wieso sagst du: ihr. Das ist nicht mehr nur Angelegenheit des MOBS und des Rats für Koordination oder des Solaren Internen Regulativs – da müssen alle zupacken, die ganze Gemeinschaft. Ich werde wahrscheinlich der Liga beitreten, ganz offiziell.”
Hendrikje macht große Augen. “Geht das denn – MOBS und Liga?”
“Es muß gehen”, antwortet Goff lakonisch, “wenn es Schwierigkeiten geben sollte, machen wir etwas verkehrt. Wir müssen uns damit abfinden, daß alles nicht mehr für alle gilt. Rikki-Tikki-Tavi will mich zu seinem Nachfolger machen… Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, aber der
Gedanke ist genial. Wir müssen es versuchen.”
“Ich habe Angst”, sagt Hendrikje zaghaft.
Goff küßt sie auf die Stirn und antwortet leise: “Ich auch. Und ohne dich fände ich nicht den Mut, trotz dieser Angst weiterzumachen. Weißt du überhaupt, wieviel Kraft du mir gibst?”
Hendrikje schnieft glücklich und schmiegt sich an ihn. Aber sie fragt sich beharrlich, was sie denn getan hat, was
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